Zehn vormals standesherrliche Archive in Zentralhessen

Birstein, Vierfach Büdingen (Isenburg)
Braunfels, Lich, Laubach (Solms)
Doppelt Ortenberg (Stolberg)

 

Fortsetzung der Monarchie ins Hessen des 21. Jahrhunderts

 

{INHALTSVERZEICHNIS}

 

Vorbemerkung

In der Mitte von Hessen gibt es zehn Archive mit mehr als 15 000 Urkunden und über 4 Kilometer Akten. In diesen Archiven ruht ein wesentlicher Teil der
Überlieferung von über 200 Orten mit insgesamt annähernd 400 000 Einwohnern, die in den sechs Kreisen Landkreis Gießen, Lahn-Dill-Kreis, Main-Kinzig-Kreis, Stadt Offenbach, Landkreis Offenbach und Wetteraukreis liegen und eine Spannweite vom Weiler bis zur Großstadt haben. Es ist dies Überlieferung der Staatsgewalt, die staatliches Wirken in kleinen Territorien des Alten Reiches dokumentiert. Hier finden sich Informationen zu so unterschiedlichen Themen wie Schulen und Kirchen, Feldmark und Gemeindeautoritäten, Justiz und Krieg. Privat-Unterlagen sind es nicht.
Diese Unterlagen sind indes in privater Hand. Die Herrscher der Kleinterritorien, aus denen sie hervorgingen, verloren zwar 1806/15 ihre Selbständigkeit und bis 1848 allmählich auch ihre wirklichen Regierungsrechte. Dank der Wiener Kongressakte blieben sie und ihre Rechtsnachfolger aber als „Standesherren“ nominelle Herrscher und behielten als solche das Recht, die bisher von ihnen verwalteten staatlichen Unterlagen weiter zu verwalten. Auch dies endete mit dem Ende der Monarchie 1919, seither sind die vormaligen Standesherren Privatpersonen wie alle übrigen Mitglieder ihrer Familien. Die Verwaltung der bis dahin von den Standesherren verwalteten staatlichen Unterlagen blieb aber in deren Händen. Natürlich trug dazu bei ein Klima, in dem die Gegner der republikanischen Staatsform schnell wieder Oberwasser erhielten. Ganz allgemein fehlte aber Problembewusstsein, da so lange Zeit nach dem Ende der wirklichen Regierung der Standesherren nur noch Insidern bewusst war, dass sie immer noch Hüter staatlicher Überlieferung waren.
Schließlich waren die standesherrlichen Archive gemischte Archive, in denen – oft tatsächlich vermischt – sowohl Unterlagen staatlichen Charakters als auch der standesherrlichen Familie und ihres Vermögens lagen. Eine Teilung hätte große Schwierigkeiten bereitet und wäre auf die Schnelle gar nicht durchführbar gewesen. Die Zeit drängte indes, da die Fideikommisse der standesherrlichen Häuser, die auch die Archive schützten, jetzt aufgelöst wurden.
Im neuen Volksstaat Hessen, Nachfolger des Großherzogtums, geschah tatsächlich etwas. Hier konnten als Ausnahme in Deutschland Übergangsregelungen durchgesetzt werden, die nicht nur die dem Staat gehörenden Unterlagen, sondern auch die zu den Fideikommissen als Familieneigentum gehörenden Unterlagen schützten. Dabei machte sich der Darmstädter Archivdirektor Dieterich zunutze, dass die jetzt einvernehmlich aufgelösten sieben Fideikommisse mit neun Archiven alle sowohl im Volksstaat Hessen als auch im Freistaat Preußen lagen, so dass für die vorgeschriebene einheitliche Auflösung preußisch-hessische Vereinbarungen mit Gesetzeskraft erforderlich wurden. In diesen Vereinbarungen wurden für neun der zehn standesherrlichen Archive, „soweit sie zu den Familienvermögen gehörten“, Regelungen getroffen. Damit waren außer den Familienarchiven auch die Unterlagen staatlichen Charakters, Eigentum des Staates in vorläufiger Verwahrung dieser Archive, einstweilen geschützt, das volle Zugriffsrecht des Staates auf diese Unterlagen aber gewahrt. Für sieben Archive wurde der Übergang auf Stiftungen und Zugang der Öffentlichkeit, für zwei nur Zugang der Öffentlichkeit vorgeschrieben. Für das Archiv des erst 1938/39 durch Gesetz zwangsaufgelösten Fideikommisses von Solms-Laubach – nur im Volksstaat betroffen – geschah dies dann auf umfassende Weise durch das Gesetz selbst.
Diese Regelungen greifen heute nicht wirklich. Der Öffentlichkeit sind sie fast unbekannt, denn in keinem Fall findet sich hinreichend angegeben, dass die Archive zu Stiftungen gehören oder jedenfalls der Öffentlichkeit zugänglich sein müssen. Manchmal ist vielmehr das Gegenteil bekundet. Zugangsmöglichkeiten bestehen – wenn überhaupt - nicht in dem gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß. Die Büdinger Rentkammerarchive, gesetzlich auf Stiftungen zu übertragen, sind sogar absolute Terra Incognita. Erheblich zudiesem Zustand beigetragen hat das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst, das die von Gesetzes wegen zuständigen und fachlich allein kompetenten Staatsarchive konsequent ausgeschaltet und bei den BüdingerRentkammerarchiven regelrecht in Obstruktion gemacht hat.
Herbeiführung von Zuständen, die einer Republik entsprechen, ist jetzt geboten. Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf ihre Unterlagen. Das Land Hessen ist daher aufgerufen, in einer Zeit, in der republikanische Verhältnisse schon lange eine Selbstverständlichkeit sind, die ihm gehörenden Staatsunterlagen in seine Obhut zu nehmen. Am sinnvollsten wäre eine einvernehmliche Regelung, in der die vormals standesherrlichen Archive an einer Stelle in Oberhessen vereinigt und der Öffentlichkeit bereitgestellt werden. Einstweilen hat das Land sich dafür einzusetzen, dass die von Dieterich erkämpften Übergangsregelungen voll verwirklicht werden. Dazu gehört auch, dass die drei für die Geschichtsschreibung von 60 Ortschaften essentiellen Rentkammerarchive in Büdingen wie gesetzlich vorgeschrieben auf eine Stiftung übertragen werden.
Unsere Vereinigung wird nicht aufhören, sich hierfür einzusetzen.

Niddatal-Assenheim, 20. Januar 2015

Christian Vogel,   
Vorsitzender der Vereinigung für Heimatforschung in Vogelsberg, Wetterau und Kinzigtal e.V. (VfH)

 

Standesherren und standesherrliche Archive

 

9 Standesherrschaften (Kleinstaaten im Stadium der Liquidation)   

 

Es geht um Dokumente von Staaten, konkret von 9 Kleinstaaten, die 1806 am Ende des Alten Deutschen Reiches in der Mitte des heutigen Bundeslandes Hessen bestanden und noch über ein Jahrhundert bis 1918 eine Sonderrolle als „Standesherrschaften“, gewissermaßen Unterstaaten, gespielt haben (bald allerdings nur noch dem Namen nach).
Diese Kleinstaaten waren Teil des komplizierten Staatengefüges des Alten Reiches im heutigen Hessen gewesen. Dessen Bestandteile und deren Unterlagen hatten unterschiedliches Schicksal:

* Die Hauptrolle lag bei den größeren Staaten Hessen-Darmstadt, Hessen-Kassel und (bald vereinigt) Nassau, die nach dem Ende des Alten Reiches als selbständige Staaten blieben. Sie sind heute im Land Hessen vereinigt, das ihre Dokumente übernommen hat.

* Nur eine Nebenrolle spielten Kleingebiete von Geistlichen und Reich, die beim Ende des Alten Reiches von den drei größeren Staaten geschluckt wurden und deren Dokumente daher in der Regel ebenfalls auf das heutige Land Hessen übergegangen sind.

* Eine Sonderrolle halten konnte dazwischen eine Reihe von KLeinstaaten mittleren Umfangs, die von Grafen (bzw. in drei Fällen Titularfürsten ohne Vollstimme auf dem Reichstag) regiert wurden. Diese verloren beim Ende des Alten Reiches 1806/15 zwar ihre Selbständigkeit, wurden aber von den drei größeren Staaten nicht geschluckt, sondern nur unterworfen. Als „Standesherrschaften“ blieben sie daher Staaten mit beschränkter staatlicher Gewalt und behielten daher die Dokumente ihres staatlichen Wirkens vor und nach 1806/15. Dies wirkt sich bis heute aus.   

Die Regenten dieser 9 Kleinstaaten wurden gestellt von nur drei Familien , die als „Gesamthäuser“ jeweils in mehrere Linien und Unterlinien aufgespalten waren. Im Einzelnen waren dies

* 1 Titularfürstentum und 3 Grafschaften des Gesamthauses Isenburg   

* 2 Titularfürstentümer und 1 Grafschaft des Gesamthauses Solms   

* 2 Grafschaften des Gesamtshauses Stolberg.

Sonstige im heutigen Hessen gelegene Standesherrschaften können außer Betracht bleiben (die Archive der Grafen zu Solms-Rödelheim, Leiningen-Westerburg, Bassenheim und Schlitz wurden dem Land Hessen übergeben - bei den Grafen zu Erbach liegen besondere Gegebenheiten vor).

 

Unterschiedliche Rechtsstellung von „Standesherr“ und „Haus“   

 

Bei den standesherrlichen Archiven ist - ebenso wie sonst bei standesherrlichen Angelegenheiten - scharf zu unterscheiden zwischen dem „Standesherrn“ (vorher „Regierender Graf“) und dem „Haus", das ihn lediglich stellte. Beide Begriffe gingen mit der Weimarer Verfassung von 1919 ersatzlos unter.
- Nur der "Standesherr" (bzw. vorher der "Regierende Graf") übte aufgrund von Bestimmungen des Staatsrechts Rechte im Staat aus.
- Das "Haus“, das den Standesherren stellte, war dagegen ein Begriff des Privatrechtes und hatte als solches mit der staatlichen Stellung des von ihm lediglich gestellten Standesherren rechtlich nie etwas zu tun.   

Der Begriff „Standesherr“ gehört in das Staatsrecht. Er war die Bezeichnung für den Träger einer untergeordneten staatlichen Funktion und wurde endgültig durch die Deutsche Bundesakte von 1815 definiert.

* Bis 1806 hatten als "Regierende Grafen" und "Reichsstände" die späteren Standesherren noch volle Regierungsgewalt ausgeübt. Sie regierten ihre Kleinländer im Rahmen der Verfassung des alten deutschen Reiches selbständig mit voller Landeshoheit und Anteil an einer Stimme auf dem Reichstag. Dem Kaiser waren sie nur in dessen Eigenschaft als Haupt des Kollektivs der Reichsstände untergeben.

* Das Jahr 1806 bedeutete für sie eine schmerzliche Zäsur, weil sie seither nur noch den Status von "Mediatisierten" hatten. Sie behielten zwar Regierungsgewalt, übten sie in dem auf das alte Reich folgenden Rheinbund (bzw. dann Deutschem Bund) aber nicht mehr unmittelbar („immediat“), sondern nur noch mittelbar („mediat“) als Untergebener eines Bundesfürsten aus. Die alte Selbständigkeit war damit dahin, der jetzt Mediatisierte war der Souveränität und oberen Regierungsgewalt eines größeren Fürsten unterworfen. Behalten hatte er aber als eigenes Recht die untere Regierungsgewalt über sein kleines Land, nunmehr als bloßer "Standesherr" (d.h. eines Standes mit dem neuen Landesherrn, dem er jetzt unterworfen war).

* 1815 wurde in der Wiener Bundesakte diese besondere Rechtsstellung bestätigt und erweitert. Die anhaltende Rücksichtnahme ging darauf zurück, dass die jetzt Unterworfenen vorher mit ihren neuen Oberherren gleichgestellt gewesen waren und die Einverleibung ihrer Staaten daher deren eigenen Anspruch auf Legitimität in Frage stellte.

* Bis 1918 hielt dieser Zwitterzustand untergeordneter Weiterregierung theoretisch an. Eine Episode, die inzwischen völlig aus dem Bewusstsein entschwunden ist. Sie hat ja effektiv auch nicht lange gedauert, da die jetzt anstehende Ausbildung moderner Staaten nicht mit lokalen Sonderregierungsrechten einhergehen konnte und allmählich – endgültig nach 1848 - die staatliche Funktion der Chefs der standesherrlichen Häuser auf einen lediglich noch symbolischen Rest reduziert wurde. Souveränität ließ sich nun einmal lokal nicht einschränken. Dem Namen nach gab es aber bis zum Ende der Monarchie 1918 einen "Standesherrn" als
selbständiges Staatsorgan und sein kleines Ländchen lebte immer noch fort als "Standesherrschaft". Was immer für Rechte er als Standesherr noch ausübte, waren Regierungsrechte staatlichen Charakters. Mit der Familie hatten sie nichts zu tun.

 

Das „Haus“ ist dagegen ein Begriff des Privatrechtes. Es handelte sich lediglich um die Familie, die den „Standesherrn“ (bzw. vorher „Regierenden Grafen“) stellte und deswegen "standesherrliches Haus" bzw. "ehemals reichsständisches Haus" hieß.

* Ihre adelsrechtliche Stellung als „Dynastie“ wurzelte ebenfalls in der Deutschen Bundesakte, die die vormals reichsständischen Häuser den verbliebenen regierenden Häusern einschließlich der Königshäuser als höchster Adel gleichstellte. Ein Mitglied eines standesherrlichen Grafenhauses rangierte daher adelsrechtlich vor den Mitgliedern fast aller europäischen Herzogshäuser (deren Häupter außerhalb von Deutschland nur selten selbständig regiert hatten).

* Chef des Hauses wurde das Familienmitglied, das nach den Grundsätzen der Linealprimogeniturfolge auf den vorhergehenden Chef folgte. D.h. in der Nachfolge gingen der Erstgeborene des Familienoberhauptes und seine Linie dem Nachgeborenen und dessen Linie vor. Die Funktion des "Standesherren" fiel automatisch an den jeweiligen Chef des Hauses.

* Einem „Fideikommiss“ (Treuhandverhältnis) unterworfen war das Vermögen, das der Familie gehörte. Das jeweilige Familienoberhaupt wurde lediglich gebundener Inhaber des Vermögens, d.h. es verfügte über die Einkünfte, musste aber die näher verwandten Namensträger versorgen und durfte das Vermögen selbst ohne Zustimmung aller männlichen Familienmitglieder des Gesamthauses nicht antasten. Nicht zum Fideikommiss gehörte das Vermögen der „Standesherrschaft“ als Untergliederung des Staates, das der „Standesherr“ als eigenberechtigtes Staatsorgan innehatte und verwaltete. Dies öffentliche Vermögen war so wenig Vermögen der Familie des Standesherrn als z.B. bei heutigen Trägern von Staatsgewalt Staatsvermögen etwas mit deren Familien zu tun hat.

* Die „Rentkammer“ diente dem Standesherrn als Organ. Sie hatte den Status einer "Verwaltungsbehörde". Soweit der Standesherr mit Hilfe dieser Behörde Vermögen staatlichen Charakters verwaltete, war er gebunden an dessen Zweckbestimmung und die Landesverfassung.

 

10 standesherrliche Archive teils staatlichen, teils privaten Charakters

 

Die 10 Archive der 9 Standesherrschaften enthalten dementsprechend zwei Klassen von Unterlagen, je nachdem, ob sie der Standesherrschaft als Untergliederung des Staates oder dem Haus als privater Instanz zugeordnet waren. Dies wurde in Hessen-Darmstadt schon 1806 als Grundsatz aufgestellt.(1)

1. Unterlagen staatlichen Charakters (Landesarchiv). Zunächst waren dies die Unterlagen, die während der Selbständigkeit der Grafschaften in deren Regierung vom Mittelalter bis 1806 entstanden waren. Hinzu kamen bis 1848 (in Ausnahmefällen auch später, z.B. in Kirchenangelegenheiten) noch weitere Regierungsakten. Die Verwaltung dieser staatlichen Unterlagen der bis dahin von ihnen selbständig regierten Gebiete blieb kraft der Wiener Bundesakte als eigenes Recht bei den jetzt auf die Stellung eines Standesherrn reduzierten Grafen, da sie in ihren nicht einverleibten, sondern nur unterworfenen Gebieten ja weiter regierten. Dies
Recht hielten sie aber nur als Staatsorgane, und sie waren dabei - wie bei den übrigen ihnen verbliebenen Regierungsrechten - ihren neuen Souveränen unterworfen. Die großherzoglichen und kurfürstlichen Regierungen hatten daher in Angelegenheiten, die ihnen kraft ihrer Oberhoheit vorbehalten waren, Zugriff
auf diese Archive, und sie haben aus ihnen in unterschiedlichem Umfang Akten entnommen.(2)

Dass die Regierungsrechte der Standesherren im Wandel des Zeitgeistes allmählich verschwanden, änderte hieran nichts. Zwar geschah dies letztlich auf Druck der öffentlichen Meinung, 1848 dann auch durch revolutionäre Gesetzgebung. Die weiterhin nach monarchischen Grundsätzen regierten Staaten suchten aber auch hier die Fassade aufrechtzuerhalten. Die Aufhebung der öffentlichen Restregierungsrechte der Standesherren widersprach nun einmal der völkerrechtlich verbindlichen Wiener Kongressakte, die neuen Staaten legten daher größten Wert darauf, wenigstens den Anschein der Legitimität zu wahren. Vor 1848 erfolgten daher Aufhebungen nur durch Verträge zwischen Souverän und Standesherren, und nach 1848 leisteten nach einer Weile die Standesherren noch förmlich selbst Verzicht auf die ihnen bereits gesetzlich entzogenen Regierungsrechte. Von den Landesarchiven war bei all dem nicht die Rede, weder wurde ihre Verwaltung den Standesherren entzogen noch leisteten diese Verzicht darauf. Diese staatlichen Unterlagen in ihnen lagerten ohnehin vermischt mit privaten Unterlagen, und der
Öffentlichkeit waren sie so gut wie unbekannt. Beim Ende der Monarchie 1919 hielten die Standesherren daher die Verwaltung der staatlichen Akten der früher
von ihnen tatsächlich, jetzt allenfalls noch symbolisch regierten Gebiete immer noch mit vollem Recht. Dass es sich um ein aus der Wiener Bundesakte abgeleitetes Recht handelte, war dabei längst aus dem Bewusstsein verschwunden, da die Bundesakte sonst kaum noch eine Rolle spielte. Es darf ohnehin bezweifelt werden, dass außer Insidern noch jemand bewusst war, dass in den standesherrlichen Archiven eine Fülle von Regierungsakten lag, die mit den standesherrlichen Familien und deren Vermögen rein gar nichts zu tun hatten. Unterlagen über den Bau eines Rathauses, die Wahl von Gemeindegremien oder Feldordnung sind keine Familienangelegenheit. Die Eigentumsverhältnisse dieser Unterlagen staatlichen Charakters waren indes klar. Sie gehörten nicht dem privatrechtlichen Fideikommiss des jeweiligen Hauses, sondern der staatlichen Sonderform „Standesherrschaft“, die als immer schwächerer Rest ja noch vorhanden war und durch den Chef des Hauses vertreten wurde. Mit ihrer Aufhebung durch die Weimarer Verfassung von 1919 gingen die Standesherrschaften endgültig im Volksstaat Hessen und in Preußen auf, denen das Bundesland Hessen nachgefolgt ist. Ihm gehören daher die staatlichen Unterlagen, die die Standesherrschaften während ihres Bestehens verwalteten. Das Staatsrecht kennt für das Recht des Staates auf die staatlichen Unterlagen seines Gebietes weder Veräußerung, Verjährung noch Verwirkung.
Auf Seiten der hessischen Staatsregierung war daher der Anspruch auf Eigentum über die staatlichen Unterlagen in den standesherrlichen Archiven Maxime und wurde z.B. bei der Überlassung der Erbacher Archive im Überlassungsvertrag ausdrücklich gewahrt.(3) Dass diese Unterlagen staatlichem Zugriff unterliegen, galt als Selbstverständlichkeit. Alle vom Staat veranlassten diesbezüglichen Regelungen beschränken sich daher auf die Teile der standesherrlichen Archive, die als Privatvermögen anzusehen sind.

 

2. Unterlagen in Privatangelegenheiten der standesherrlichen Häuser (Hausarchiv). Diese gehörten dem Fideikommiss und sind nach dessen Auflösung als Privatvermögen desjenigen anzusehen, der jeweils im Eigentum dieser Papiere auf den letzten Fideikommissinhaber gefolgt ist. Es handelt sich dabei um
a) Unterlagen in Angelegenheiten der Familien und ihrer Angehörigen
b) Unterlagen der reinen Vermögensverwaltung des nichtstaatlichen Vermögens der standesherrlichen Häuser.

 

Rechtslage und Handhabung nach dem Ende der Monarchie von 1919

 

Mit der Beseitigung der Standesherrschaften durch die Weimarer Verfassung entfiel auch deren Recht auf Verwaltung der Landesarchive, d.h. staatlichen Unterlagen ihrer selbständigen bzw. dann untergeordneten Regierungstätigkeit. Vom Eigentum der Standesherrschaften als Untergliederung des Staates wurden
sie nach der Aufhebung der Standesherrschaften zum Eigentum der neuen Republiken, in der die Standesherrschaften jetzt aufgegangen waren. Dies wurde z.B. im Justizministerium in Darmstadt durchaus gesehen, das denn auch dafür sorgte, dass „die bisherigen Eigentumsverhältnisse“ unberührt blieben.(4) Die Übernahme der Verwaltung seiner eigenen Unterlagen durch den Staat ist indes bis heute unterblieben.

In der Schwebe gelassene Übernahme der 10 Landesarchive durch den hessischen Staat   

 

Geltendmachung des Eigentumsanspruchs des Hessischen Staates erfolgte durch die Staatsregierung.
Im Zusammenhang mit der Auflösung der Erbacher Fideikommisse ist dokumentiert, dass die Staatsregierung sorgfältig darauf achtete, ihren Eigentumsanspruch auf die Landesarchive = Unterlagen staatlichen Charakters in den standesherrlichen Archiven zu wahren. In allen mit Preußen getroffenen Vereinbarungen über die Auflösung grenzüberschreitender Fideikommisse wurden daher die Regelungen für die standesherrlichen Archive ausdrücklich beschränkt auf solches Archivgut, das „zum Hausvermögen gehört“.
Entsprechend wurde bei der Erstellung der Satzungen der jetzt eingerichteten Stiftungen verfahren, auf die nur das Eigentum der Archive überging „soweit sie bisher zu den Hausvermögen gehörten“.

Der Rechtsstandpunkt der Staatsregierung findet sich deutlich ausgesprochen

* Z.B. intern in einer Aktennotiz des Justizministers für den Staatspräsidenten vom 12. Juli 1930(5):

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* nach außen in einer Verlautbarung des Staatsarchivs im Einvernehmen mit dem Herrn Staatspräsidenten gegenüber dem Senior des Hauses Erbach in Fürstenau vom 6. August 1930(6):

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Zur Begründung wurde allerdings nicht ganz zutreffend angegeben, dass bereits 1806/15 mit dem Übergang der Souveränität über die standesherrlichen Gebiete auf das Großherzogtum Hessen auch deren staatliche Unterlagen übergegangen waren. Dass die Wiener Bundesakte diesbezüglich noch bis 1919 nicht außer Kraft gesetzt worden war und daher so lange die staatlichen Unterlagen der Standesherrschaften bei diesen verblieben, war nicht mehr bewusst, da die Bundesakte sonst schon lange keine Rolle mehr spielte. Es war daher nicht bewusst, dass die standesherrlichen Archive beim Ende der Monarchie nicht anders zu stellen waren als die Archive der jetzt gestürzten noch regierenden Herrscher (im heutigen Hessen König von Preußen und Großherzog von Hessen): die staatlichen Teile gingen ohne weiteres auf die neuen Republiken über, während die Familienteile unter Schutz gestellt wurden.

Hemmungen waren und sind ein wichtiger Faktor. Bald nach 1919 gewannen die Gegner der neuen Republik zusehends die Oberhand. Rütteln an Rechten, die unwidersprochen bis 1919 ausgeübt worden waren, wurde damit immer inopportuner. Bekanntlich wirkt sich dies immer noch aus. Heute ist außerdem fast unbekannt, dass die Regierung einer kleinen Grafschaft nichts mit der Familie zu tun hatte, die den regierenden Grafen stellte.

Vielfältige sachliche und praktische Schwierigkeiten machten allerdings zusätzlich ein Rütteln am Status Quo der Archive weder opportun noch praktikabel.

* Komplizierte Archivteilungen hätte angestanden, bei zahlreichen Unterlagen, die sich sowohl dem Staat als auch dem Haus zuordnen ließen.(7)

* Fehlende staatliche Organisation hätte eine sofortige Übernahme so vielen Archivgutes schwierig gemacht.

* Zusammenbleiben der Archive war sachgerecht.

Schlechte Überlieferungslage macht Überblick schwierig.
Die Akten der Auflösungsbehörden, des Fideikommissgerichts, der Dienstregistratur des Staatsarchivs Darmstadt und meist der Instanzen des Volksstaates Hessen sind im Weltkrieg untergegangen. Vorliegen die Gesetzestexte, ein größerer Teil der Auflösungsakten der Generalregistratur des hessischen Justizministeriums (Bestand G21A des Staatsarchivs Darmstadts) sowie vom Fideikommissgericht neu gebildete Akten. Die Gegenakten der Inhaber der standesherrlichen Archive sind unzugänglich.

 

Deutschlandweite Gesetzgebung

 

In ganz Deutschland gab es ungefähr 100 standesherrliche Häuser, in deren Archiven ein Großteil der älteren staatlichen Überlieferung ganzer Landstriche lag. Mit dem Ende der letzten den Standesherren verbliebenen staatlichen Rechte fiel diese Überlieferung an die jetzt zu Republiken gewordenen Länder.
Dass sie diese ihre Unterlagen nicht generell übernommen haben, ist noch immer ein akutes Problem für die geschichtsinteressierte Öffentlichkeit, auch wenn in vielen Einzelfällen die Übernahme inzwischen erfolgt ist (so auch fast aller übrigen standesherrlichen Archive in Hessen, die nicht zu den 10 hier behandelten gehören). Es mutet dabei grotesk an, dass in Sachsen-Anhalt jetzt staatliche Unterlagen aus standesherrlichen Archiven und damit Staatseigentum unwidersprochen von Privatpersonen reklamiert werden können.
Von Berlin aus waren diese Archive eher weit weg. Sie befanden sich fast alle in Süd- und Westdeutschland, östlich der Elbe fehlten sie. In der Reichshauptstadt hatte man in der Weimarer Republik offensichtlich eher die ostelbischen Verhältnisse und damit Adelsarchive als Privat- und Gutsarchive und damit stärker privaten Charakters im Auge.

Mehr als Übergangsvorschriften für die Archive von Fideikommissen für die Zeit der Auflösung der Fideikommisse erließ die Reichsgesetzgebung daher zunächst nicht. Alles weitere wurde der Gesetzgebung der Länder überlassen.   

Umfassende Sicherungsmaßnahmen ergingen erst 1938/39. („Gesetz über das Erlöschen der Familienfideikommisse“ des Reiches vom 6. Juli 1938 – das bisherige gesetzliche Regelungen ausdrücklich unverändert ließ - und die „Verordnung zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes“ vom 20. März 1939).

 

* Alle auf Stiftungen übertragenen Archive von Fideikommissen wurden der Aufsicht der Fideikommissgerichte unterstellt (dies betraf die 7 Archive von Solms-Braunfels, Isenburg und Stolberg-Roßla):
- „Die vor Inkrafttreten dieser Verordnung aus Anlaß der Fideikommißauflösung errichteten Stiftungen unterstehen der Aufsicht des Fideikommißgerichts“.
- „Bei Stiftungen, die zur Erhaltung von Gegenständen oder Sachgesamtheiten von besonderem künstlerischen, wissenschaftlichen, geschichtlichen oder heimatlichen Wert errichtet worden sind, hat die Aufsichtsbehörde vor ihren Maßnahmen die fachlich zuständige Behörde (Leiter des staatlichen Archivs) zu hören“.
- „Die Aufsichtsbehörde kann von dem Stiftungsvorstand jederzeit Auskunft über den Bestand des Stiftungsvermögens und die sonstigen Verhältnisse der Stiftung verlangen. Sie kann den Zustand der Stiftungsgegenstände prüfen oder prüfen lassen“.
- „Ist ein Vorstand noch nicht bestellt oder ist er verhindert, so kann die Aufsichtsbehörde die erforderlichen Maßnahmen treffen“.

* Für Archive noch nicht aufgelöster Fideikommisse erhielten die Fideikommissgerichte jetzt umfassende Vollmachten (siehe unten unter Solms-Laubach(8))

„Das Fideikommißgericht hat von Amts wegen Vorsorge für ordnungsgemäße Erhaltung zu treffen, soweit die Gegenstände gefährdet erscheinen und ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt. - Insbesondere kann es über die Aufbewahrung der Gegenstände und ihre Erhaltung Bestimmungen treffen und die Vornahme von Veränderungen, einen Standortwechsel sowie die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungen von behördlicher Genehmigung abhängig machen. - Es hat auch Vorsorge zu treffen, dass Gegenständ von besonderem künstlerischem, wissenschaftlichem, geschichtlichem oder heimatlichem Wert in angemessener Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. - Es kann zur Erhaltung von Amts wegen auch Stiftungen errichten. - Dem Leiter des Staatlichen Archivs soll das Fideikommißgericht regelmäßig die Beaufsichtigung der Gegenstände und Sachgesamtheiten einräumen“.

 

Besondere hessische Gesetzgebung

 

Anders entwickelte sich die Gesetzeslage in „Hessen“, ein Begriff, der damals nur für den „Volksstaat Hessen“ (vor der Revolution „Großherzogtum Hessen) stand, während das restliche heutige Hessen in Preußen einschließlich Waldeck lag. Zum Volksstaat gehörten vom heutigen Hessen alle südlich des Mains gelegenen Landkreise sowie nördlich des Mains Wetteraukreis, Landkreis Gießen und Vogelsbergkreis.   
Motor der hessischen Schutzgesetzgebung, die die aus Fideikommissen stammenden Archive sicherte und ihre Nutzung durch die Öffentlichkeit sicherstellte, war der Direktor des Staatsarchivs Darmstadt Julius Reinhard Dieterich (1864-1952)(9), Begründer der Historischen Kommission für das Großherzogtum Hessen und Vorsitzender des Historischen Vereins für Hessen, den brillante Darstellungsgabe und Sinn für angewandte Geschichte auszeichnete. Aufsicht des Volksstaates Hessen durch das Staatsarchiv über zumindest die staatlichen Unterlagen in den standesherrlichen Archiven konnte er nicht mehr erreichen(10). Hierzu bevollmächtigten für die auf Stiftungen übertragenen Archive erst die Reichsgesetze von 1938/39 die Fideikommissgerichte.

1. Hessisches Gesetz vom 11. November 1923

Es verbietet für Archive aus Fideikommissen generell Veräußerungen und räumliche Veränderungen ohne Genehmigung des Landes Hessen. Man fragt sich nach Lektüre der eindeutigen Bestimmungen zu Sammlungen und Büchereien, wie mehrfach Archive ohne Genehmigung örtlich verlagert bzw. in Büdingen ohne eine solche nicht nur eine einzelne mittelalterliche Handschrift, sondern gleich ganze Bibliotheken oder wesentliche Teile davon veräußert werden konnten.

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Artikel 33 des Gesetzes über die Auflösung der Fideikommisse vom 11. November 1923 bestimmt: „Auf Sammlungen und Büchereien, die zu einem aufgelösten Fideikommiß gehören, und für die einzelnen Teile solcher Sammlungen und Büchereien finden die Bestimmungen der Kunstschutzverordnung vom 8. Mai 1920 (Reichsgesetzblatt Seite 913) auch nach der Auflösung und nach eingetretener Rechtskraft des Fideikommißauflösungsbeschlusses Anwendung. Im Falle des Verkaufs
solcher Sammlungen und Büchereien oder einzelner Teile hiervon steht dem hessischen Staate ein Vorkaufsrecht zu. Das gilt auch dann, wenn ein Verkauf im Wege der Zwangsvollstreckung oder durch den Konkursverwalter erfolgt. Auf dieses Vorkaufsrecht finden die Vorschriften der §§ 504 bis 510 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechende Anwendung. Die Verbringung von Archiven oder einzelner Teile derselben aus dem hessischen Staatsgebiet wie überhaupt jede örtliche Veränderung bedarf, soweit dem nicht die Vorschrift des Artikel 82 Absatz 6 der Reichsverfassung entgegensteht(11), der Genehmigung der zuständigen Behörde. Zuwiderhandlungen hiergegen werden ebenfalls nach Maßgabe des § 4 der in Absatz genannten Verordnung bestraft“.

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Zentrale Vorschrift des durch das hessische Gesetz vom 11. November 1923 übernommenen Reichsgesetzes ist das Verbot, Gegenstände von „Sammlungen und Büchereien“ aus Fideikommissen ohne „Genehmigung der Landeszentralbehörde oder der von ihr bezeichneten Behörde“ zu „veräußern, verpfänden, wesentlich zu verändern oder aus dem Reichsgebiet auszuführen“.

 

2. Gesetzliche Vorgaben bei der Auflösung der zwischenstaatlichen Fideikommisse

 

Besonders wirkte sich die Aktivität von Archivdirektor Dieterich bei der freiwilligen Auflösung der standesherrlichen Fideikommisse aus, und zwar auch außerhalb des Volksstaates. Nicht nur für die fünf standesherrlichen Archive im Volksstaat Hessen (Gesamtarchiv Büdingen, Rentkammerarchiv Büdingen, Archive in Gedern, Lich und Ortenberg), sondern auch für die vier standesherrlichen Archive in Preußen (in Birstein, Braunfels, Meerholz und Wächtersbach), die in erheblichem Umfang staatliche Unterlagen über Orte des Volksstaates enthielten, konnte er Schutz der Hausarchive und Zugänglichkeit der Öffentlichkeit durchsetzen, womit als Übergangsregelung auch die dem Staat gehörenden Unterlagen geschützt waren.

1. Preußisch-hessische Vereinbarungen machten hierzu in erster Linie den Weg frei, als fast alle standesherrlichen Fideikommisse freiwillig durch Familienschlüsse und staatliche Genehmigung aufgelöst wurden(12).
Acht der neun standesherrlichen Häuser, um deren Archive es hier geht, hatten Besitzungen sowohl in Hessen als auch in Preußen. Ihre Fideikommisse waren daher länderübergreifende Einrichtungen, für die die Reichsgesetzgebung einheitliche Auflösung vorschrieb. Vereinbarungen zwischen dem Freistaat Preußen und dem Volksstaat Hessen mit gesetzlicher Wirkung mussten hierzu getroffen werden. Archivdirektor Dieterich machte sich dies zunutze und konnte auf diesem Weg Bestimmungen nicht nur für die Archive in Hessen, sondern auch in Preußen herbeiführen. Er konnte erreichen, dass in die Vereinbarungen Regelungen für die Archive, „soweit sie zu den Hausvermögen gehörten“, aufgenommen wurden, die die Benutzung durch die Öffentlichkeit sicherstellten.

* Entweder wurden diese Archive zu Stiftungsgut umgewandelt. Hierzu wurden die dem Fideikommiss gehörenden Unterlagen auf „Versorgungsstiftungen“ übertragen, deren Hauptaufgabe zunächst die Sicherung der Versorgungsansprüche der Nachgeborenen des Hauses war, die mit der Zeit aber nur noch für die Archive zuständig blieben.

* Oder es wurde die öffentlich-rechtliche Auflage gemacht, die Benutzung der Archive weiterhin der Forschung zu ermöglichen.

In beiden Fällen wurden Benutzungsordnungen für die Archive vorgeschrieben, die im Einvernehmen der Auflösungsbehörden mit dem hessischen Staatsarchiv zu erstellen waren. Bestand und Benutzung der dem Staat gehörenden „Landesarchive“ war mit diesen Maßnahmen einstweilen gesichert. Die Vereinbarungen wurden in den Gesetzesblättern von Hessen und Preußen publiziert.

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In den von den Auflösungsbehörden aufgrund dieser Gesetzeslage erteilten Auflösungsscheinen (Abbildung: Deckblatt des Scheins für das Gesamthaus Isenburg) finden sich zwar die Satzungen der jetzt gegründeten Stiftungen und die jetzt aufgestellten Benutzungsordnungen. Gerade in den letzten Jahrzehnten ist diese Rechtslage allerdings vor Ort fast völlig in Vergessenheit geraten.

2. Die Zwangsauflösung der noch verbliebenen Fideikommisse durch das Gesetz vom 6. Juli 1938 betraf nur noch das Fideikommiss des gräflichen Hauses Solms-Laubach. Die Ausführungsverordnung vom 21. März 1939 räumt hier allerdings dem Fideikommissgericht bezüglich des Archivs umfassendste Vollmachten ein.

Die Aufsicht über die von Stiftungen verwalteten Archive und das Archiv in Laubach liegt heute bei einem Senat des Oberlandesgerichtes Frankfurt mit Sitz
in Kassel als „Fideikommissgericht für Hessen“.
Für die Archive mit öffentlich-rechtlicher Auflage der Benutzung durch die Öffentlichkeit liegt die Zuständigkeit direkt bei der hessischen Landesregierung.
Durch die Gesetzgebung vorgegebenes Organ bei der Durchführung ihres Auftrages ist sowohl für das Fideikommissgericht als auch die Landesregierung die staatliche Archivverwaltung.

Der Anspruch des Landes Hessen auf die ihm gehörenden staatlichen Teile der Archive bleibt davon unberührt.

 

Isenburger Archive

 

Unterteilung des Gesamthauses Isenburg von der Mediatisierung 1806/15 bis zur Auflösung der Fideikommisse:

Isenburg-Birstein (Ysenburg und Büdingen)
1. Ysenburg und Büdingen in Büdingen
2. Ysenburg und Büdingen in Meerholz
3. Ysenburg und Büdingen in Wächtersbach

Der Regent von Isenburg-Birstein war seit 1744, die Standesherren in Büdingen und Wächtersbach seit 1840/65 Titularfürst ohne rechtliche Auswirkungen.
1931 wurden die Fideikommisse einheitlich aufgelöst und die Isenburger Vermögen freie Vermögen („Fürst“ oder „Fürstliches Haus“ gibt es bereits seit 1919 nicht mehr).

Das Restvermögen der wiedervereinigten Hauptlinie Ysenburg und Büdingen einschließlich Archiven ist unübersichtlich. Nach 1941 lag es in einer Hand. Die Speziallinie in Meerholz war 1929 noch zu Fideikommiss-Zeiten ausgestorben und daher von den beiden andern Speziallinien in Wächtersbach und Büdingen nach Fideikommissrecht beerbt worden. 1941 erbte Otto Friedrich zu Ysenburg von der Wächtersbacher Speziallinie auch das Vermögen der Büdinger Speziallinie. Er zog jetzt nach Büdingen, wohin er auch die Archive in Meerholz und Wächtersbach holte. Nach dem Tode von Otto Friedrich zu Ysenburg löste sich das an mehrere
Einzelpersonen, GbRs und GmbHs übergangene Vermögen in einem Strudel von Insolvenzen weitgehend auf. Rechtliche Auswirkungen hat dies auf die Ysenburger Archive in Büdingen nicht, da die Bestandteile „Landesarchiv“ dem Land Hessen gehören und die Bestandteile „Hausarchiv“ auf Stiftungen bereits
übertragen oder noch zu übertragen sind. Es gibt aber tatsächlich Auswirkungen.

Fünf Archive bestehen.

* Das Archiv in Birstein  und das Gesamtarchiv in Büdingen entstanden endgültig durch (nicht immer systematische) Trennung 1684 nach der Aufspaltung der Isenburg in zwei Hauptlinien(13). Das Gesamtarchiv in Büdingen wurde danach nicht mehr aufgeteilt, obwohl sich die Hauptlinie Ysenburg und Büdingen 1687 weiter in vier, dann drei Speziallinien aufteilte. Unter dem Namen „Gesamtarchiv“ blieb es vielmehr gemeinsames Eigentum der Speziallinien für die bei der Teilung vorhandenen Unterlagen, die noch in geringem Ausmaß ergänzt wurden durch spätere Unterlagen in gemeinsamen Angelegenheiten der Speziallinien (die z.B. auf der Grafenbank des Reichstags eine gemeinsame Stimme führten) und bei der Eingliederung von Akten der ausgestorbenen Speziallinie Marienborn. Mit einem Gesamtarchiv in dem Sinne, dass dort die gesamten Ysenburger Unterlagen archiviert wurden, hatte das Büdinger Gesamtarchiv daher nichts zu tun.

* Drei weitere Archive in Büdingen, Meerholz und Wächtersbach entstanden vielmehr nach der Teilung der Hauptlinie Ysenburg und Büdingen, weil die drei Speziallinien ihr nach 1687 entstandenes Schriftgut selbst archivierten und in unbekanntem Ausmaß auch noch aktuelle Akten aus dem Gesamtarchiv abzogen. Diese Archive waren nur in zweiter Linie „Hausarchive“ = Familienarchive, in erster Linie aber „Landesarchive“ der kleinen Staaten, die die Chefs der Speziallinien jetzt regierten. Und da die Aktenflut im 18. Jahrhundert bekanntlich allenthalben anschwoll, müssen diese Landesarchive große Archive sein. Seit der Vereinigung des Ysenburger Besitzes in der Hand von Otto Friedrich zu Ysenburg befinden sich alle drei Archive der Speziallinien in Büdingen.

* Das Archiv der sogenannten Stiftung "Präsenz" kann als weiteres fünftes Archiv und in rein faktischer Ysenburger Verwahrung hier außer Betracht bleiben.(14)
In Büdinger gibt es daher rechtlich nicht „das“ Ysenburger Archiv, sondern deren fünf.

 

Gemeinsame Auflösung der Fideikommisse des Gesamthauses – die sich über Preußen und Hessen erstreckten – erfolgte im Gegensatz zur Einzelauflösung bei den Gesamthäusern Solms und Stolberg.(15)
Gesetzliche Grundlage hierfür war die „Vereinbarung zwischen dem Freistaat Preußen und dem Volksstaat Hessen wegen einheitlicher Auflösung gebundener Vermögen vom 23. März 1923“, die die Auflösung der Fideikommisse von Solms-Braunfels, Isenburg und des Landgrafen von Hessen regelte.(16)
Die Bestimmungen dieser Vereinbarung für die Archive von Solms-Braunfels erhielten dabei Geltung auch für die Archive des Gesamthauses Isenburg.

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Die Vereinbarung erhielt in Preußen und Hessen Gesetzeskraft durch Verordnungen (in Hessen vom 10. April 1923, veröffentlicht im Regierungsblatt vom 27. April 1923). Sie bestimmte in Artikel II § 1 in Verbindung mit Artikel I § 6, dass alle zu den Isenburger Hausvermögen gehörenden Archive in Stiftungen umzuwandeln waren. Der „Hausarchive“ waren 5 (im Archiv in Birstein - im Gesamtarchiv der gemeinsamen Unterlagen aller drei Ysenburger Speziallinien in Büdingen – in den Einzelarchiven der drei Ysenburger Speziallinien in Büdingen, Meerholz und Wächtersbach). Eingerichtet wurden im Auflösungsschein aber nur 2 Stiftungen für das Archiv in Birstein und das Gesamtarchiv, während die in der Vereinbarung gesetzlich vorgeschriebene Einrichtung von Stiftungen auch für die drei Archive der Speziallinien unterblieb. Offensichtlich wurde der Name „Gesamtarchiv“ als Archiv für die gesamten Unterlagen der drei Ysenburger Speziallinien missverstanden, während es sich in Wirklichkeit nur um das bei der Teilung in drei Speziallinien zu Ende des 17. Jahrhunderts vorhandene .Archiv handelte, das nach der Teilung nur noch in relativ geringem Ausmaß ergänzt wurde durch Unterlagen, die alle drei Speziallinien betrafen. Wesentlich zu dieser Fehleinschätzung beigetragen haben dürfte, dass man im Staatsarchiv in Darmstadt von den ganz anderen Verhältnisse in Erbach ausging, wo es ein wirkliches „Gesamtarchiv“ gab. Als solches wird das Büdinger „Gesamtarchiv“ denn ja auch bis heute unzutreffend eingestuft.
Wegen dreier zu den vormaligen Isenburger Hausvermögen gehörender Archive ist das Auflösungsverfahren daher nicht abgeschlossen. Freies Vermögen konnten sie nicht werden, weil dies im der Vereinbarung mit Gesetzeskraft ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Sorgfältig wurden im Übrigen die Stiftungen auf die zu den jeweiligen Hausvermögen gehörenden Familienarchive beschränkt, die Landesarchive mit den Unterlagen staatlichen Charakters blieben Staatseigentum.

 

Eine gemeinsame Archivbenutzungsordnung wurde aufgrund der hessisch-preußischen Vereinbarung vom 10. April 1923 bei der gemeinsamen Auflösung der Isenburger Fideikommisse für die beiden im Auflösungsschein allein berücksichtigten Archive (Gesamtarchiv in Büdingen und Archiv in Birstein) festgestellt. Im Einvernehmen mit dem hessischen Staatsarchiv in Darmstadt erstellt, sichert sie Zugang der Öffentlichkeit.

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A. Isenburg-Birstein   

Standort: 63633 Birstein, Schlosskomplex

Betreiber des Archivs und Eigentümer des Bestandteils „Hausarchiv“: „Versorgungsstiftung Isenburg-Birstein“
Anschrift: 63633 Birstein, Schloss   
Zu Gunsten der Stiftung ist eine Reallast auf die Schutzforsten „Aurora“ und „Birstein“ eingetragen.

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Nutzung durch die Öffentlichkeit: Durch die verbindliche Benutzungsordnung für die beiden Archive in Birstein und Büdingen rechtlich gewährleistet (siehe oben).

 

Bei den Staatsunterlagen betroffene Orte:
   
Main-Kinzig-Kreis: Birstein, Böß-Gesäß, Bösgesäß, Fischborn, Hettersroth, Hüttengesäß, Illnhausen, Katholischwillenroth, Kirchbracht, Langendiebach, Langenselbold, Lichenroth, Mauswinkel, Neuwiedermuß, Oberreichenbach, Obersotzbach, Radmühl, Ravolzhausen, Rückingen, Unterreichenbach, Untersotzbach, Völzberg, Wüstwillenroth
Wetteraukreis: Bindsachsen, Burgbracht, Gelnhaar, Hitzkirchen, Kefenrod, Merkenfritz, Wenings
Stadt Offenbach   
Landkreis Offenbach: Dreieichenhain, Neu-Isenburg, Sprendlingen
Landkreis Groß-Gerau: Geinsheim
Main-Taunus-Kreis: Okriftel

 

Umfang(17): 2500 Urkunden, Kopiare – ca. 560 lfdm Akten und Amtsbücher.

Repertorien: Verzeichnisse der Urkunden(18) (3 Bde.) und der „Altakten“ (13 Bde., 15805 Nummern) wurden 1904-06 erstellt (Kopien im Staatsarchiv Darmstadt). – Über Verzeichnisse der „Kabinettsakten“ und „Rentkammerakten“ („in der Hauptsache Akten nach 1800 enthaltend“, demnach aber auch in Teilen älter) ist nichts zu ersehen.

 

B. Ysenburg und Büdingen

Umfang aller Archive(19):

Urkunden: im Gesamtarchiv ca. 6000(20)

Akten (einschließlich Amtsbücher und Rechnungen): Mengenangaben finden sich nur für alle fünf Archive in Büdingen (Gesamtarchiv, Rentkammerarchive und Präsenzarchiv) zusammen. Stets wurde nur von einem einzigen, „dem“ „Ysenburgischen Archiv in Büdingen“ ausgegangen. Dem entspricht, dass in Verlautbarungen der Archivare und im "Gesamtverzeichnis national wertvollen Kulturgutes" zwischen dem Gesamtarchiv einerseits und den Rentkammerarchiven sowie dem Präsenzarchiv andererseits nicht unterschieden wurde. Die seinerzeitige Archivarin schrieb 1969 direkt: „In den letzten 20 Jahren erfuhr das Büdinger Archiv noch einen weiteren Zuwachs durch die Verwaltungsakten der Wächtersbacher und Meerholzer Linie“. So auch 1994 ihr Nachfolger, letzter hauptamtlicher Archivar.

* Die Gesamtzahl der Ysenburger Akten in Büdingen würde nach dessen zu koordinierenden Angaben(21) irgendwo um 2 laufende Kilometer ausmachen. Mehrere Male hat er die von ihm verwalteten Akten mit etwa 1500 lfd. Metern beziffert. 1991 hat er neben bis zu 1140 lfd. Metern im Brauhaus dabei 500 lfd. Meter im Bandhaus angegeben. 2005 lagen nach ihm dann 900 lfd. Meter im Bandhaus, woraus sich weitere 400 lfd. Meter Akten ergeben würden (die wohl schon vorher im Bandhaus lagen, bis dahin aber nicht zum Archiv gerechnet und so lange offensichtlich von der Vermögensverwaltung der Familie Ysenburg („Rentkammer“ und Forstverwaltung) verwaltet wurden, beide im Insolvenzstrudel inzwischen verschwunden). So äußerte sich auch der Ysenburger Forstmeister Dr. Walter Nieß.

* Die Aufteilung auf Gesamtarchiv, die drei Rentkammerarchive und das Archiv der Präsenz wurde nie mitgeteilt. Genannt wurden vom letzten hauptamtlichen Archivar pauschal Unterlagen des Gesamtarchivs, Unterlagen der Büdinger Speziallinie („Rentkammerakten“ des 19. und 20. Jahrhunderts, inwieweit unter ihnen oder sonst Akten der Regierung der Büdinger Speziallinie vorhanden sind, findet sich nicht angegeben), die Archive der Speziallinien in Wächtersbach und Meerholz sowie das Archiv der Präsenz.
- Das Gesamtarchiv kann nur den kleineren Teil ausmachen, da es nach der „Übersicht“ aus 1299 Aktenbänden besteht. Es dürfte nur im Brauhaus lagern, ebenso wie das Archiv der Präsenz.
- Bei den Rentkammerarchiven ist folglich von der Lagerung eines Teiles ebenfalls im Brauhaus auszugehen, wenn man auf die 1140 lfd. Meter kommen will, die als dort wahrgenommener Aufbewahrungsraum für Akten angegeben sind. Für das Bandhaus gibt es amtliche Feststellungen aus dem Jahre 1971, dass dort Akten der Speziallinien von Meerholz und Wächtersbach lagen, wie später auch Forstmeister Nieß erklärt hat. Der letzte hauptamtliche Archivar hat nur angegeben, dass im Bandhaus Akten der Büdinger Rentkammer samt Forstverwaltung liegen, sowie „ungeordnete und unverzeichnete Altakten“ aus Wächtersbach. Ein Teil der Büdinger
Rentkammerakten sei von dort in das Haus Schlossgasse 8 verbracht worden. Die Akten des Büdinger Rentkammerarchivs dürften daher im Bandhaus liegen,
während sich die Akten des Wächtersbacher (und vermutlich auch des Meerholzer) Rentkammerarchivs auf Bandhaus und Brauhaus verteilen, ohnedas indes Näheres zu erkennen ist.

Hinzu kommen nach der Übersicht von 1882 (siehe „Gesamtarchiv“ – Repertorien) weitere Unterlagen, deren Verbleib und Zuordnung sich nicht ohne weiteres ergibt: „Auf dem Schloßboden zu Büdingen befinden sich ca. 340 Faszikel gehefteter oder gebundener Rechnungen, desgleichen noch wüst durcheinander liegende und aufeinander gestapelte Akten (ca. 10 Fuß hoch und 50 Fuß lang), die wahrscheinlich Rechnungswesen betr. Sachen enthalten, sowie 90 teils leere teils gefüllte Kasten meistens mit Belegen, Quittungen etc. Es wäre aber immerhin möglich, daß wertvolle Akten und Urkunden darunter stecken“.

 

1. Gesamtarchiv

Standort: 63654 Büdingen, Brauhaus beim Schloss (jetzt Eigentum der Versorgungsstiftung Isenburg-Büdingen – bis 1965 war Standort der Wachtbau im Schloss).

Charakter der Unterlagen: Es handelt sich in der Hauptsache um die Unterlagen, die 1684 bei der Teilung der Ysenburger in zwei Hauptlinien an die Hauptlinie Ysenburg und Büdingen gefallen waren und anschließend 1687 bei deren Teilung in mehrere Speziallinien nicht weiter aufgeteilt wurden. Sie stammen daher hauptsächlich aus der Zeit vor den Teilungen. Ortsbezogene Akten aus dem 18. und 19. Jahrhundert sind folglich im Gesamtarchiv eher selten und dürften sich in den Rentkammerarchiven finden.

Betreiber des Archivs und Eigentümer des Bestandteils „Hausarchiv“ („Bestandteile des im Schloß zu Büdingen untergebrachten Gesamtarchivs, soweit sie bisher den beteiligten Hausesvermögen zugehörten"): „Versorgungsstiftung Isenburg-Büdingen“
Anschrift: 63654 Büdingen, Schloss.

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Zu Gunsten der Stiftung war eine Reallast auf den Büdinger Wald eingetragen, aus der beim Konkurs kapitalisiert wurde.

Nutzung durch die Öffentlichkeit: Durch die Benutzungsordnung für die beiden Isenburger Archive in Birstein und Büdingen gewährleistet (siehe oben)
Eine ältere Benutzungsordnung von 1914 für das „Fürstlich und Gräflich Ysenburg- und Büdingische Gesamtarchiv in Büdingen“ im Stil der Monarchie wurde damit obsolet:

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Bei den Staatsunterlagen betroffene Orte: Sämtliche Isenburger Orte (siehe Isenburg-Birstein, Ysenburg-Büdingen, Ysenburg-Meerholz und Ysenburg-Wächtersbach)

Repertorien: Verzeichnungen der Bestände des Gesamtarchivs erfolgten 1876-1882.

* Urkundenverzeichnis in 10 Bänden(22) (Kopien wurden dem Staatsarchiv Darmstadt überlassen)

* Dreibändiges Aktenverzeichnis von 940 Seiten sowie Registerband von 548 Seiten für 77 Aktengruppen (Kopien wurden dem Staatsarchiv Darmstadt nicht überlassen. Es liegt dort allerdings in Kopie vor eine 12seitige „Vorläufige Übersicht über die Bestände des Fürstl. Ysenburg- und Büdingischen Archives zu Büdingen“, die einen Überblick über die Akten des Gesamtarchivs ermöglicht).

 

2. “Rentkammerarchive”

Hauptstandort: 63654 Büdingen, Bandhaus (Am Hain 2 – Eigentümer ist die BEHA Immobilien GmbH, die wiederum der „Versorgungsstiftung Isenburg-Büdingen“ gehört).
Das Gebäude ist randvoll von Akten. Gelegen an nicht ohne weiteres einsehbarer Stelle, befindet es sich in desolatem baulichem und sonstigem Zustand und erscheint schon vom ersten Eindruck her nicht hinreichend sicher. Den Erfordernissen des Brandschutzes entspricht es mit Sicherheit nicht. Über den exakten Aufbewahrungsort der Rentkammerarchive im Bandhaus liegen widersprüchliche Angaben vor. Teile befinden sich auch im Brauhaus.

Vorherige Standorte: Ursprüngliche Standorte der Rentkammerarchive von Meerholz und Wächtersbach waren die dortigen Schlosskomplexe. In Büdingen ist Standort des dortigen Rentkammerarchivs offensichtlich bereits seit langem das Bandhaus. Ein größerer Aktenbestand wurde dabei von der Forstverwaltung betreut, darunter zahlreiche Altakten.
Während und nach der Vereinigung des gesamten Ysenburger Vermögens in der Hand von Otto Friedrich zu Ysenburg waren ein Brand in Wächtersbach(?) und Veräußerung des Schlosses in Meerholz Veranlassung, die dortigen Rentkammerarchive nach Büdingen ins Bandhaus zu verbringen. Während für die Wächtersbacher und Meerholzer Unterlagen jetzt offensichtlich die Verwaltung des Gesamtarchivs zuständig wurde, behielten für die Büdinger Unterlagen weiterhin die „Rentkammer“ (jetzt ein bloßer Künstlername für die Vermögensverwaltung einer Einzelperson, ohne rechtliche Bedeutung) bzw. die Forstverwaltung Zuständigkeit. Nach der konkursbedingten Auflösung der Ysenburger Vermögen zu Anfang des 21. Jahrhunderts blieben die Unterlagen aus Büdingen, Wächtersbach und Meerholz im Bandhaus, vermehrt durch die nicht mehr gebrauchten Unterlagen aus dem jetzt veräußerten daneben liegenden Verwaltungsgebäude. Archivare/Angestellte, die für die Unterlagen im Bandhaus zuständig gewesen wären, gab es offensichtlich nicht mehr.

Charakter und Name: Es handelt sich um die eigenen Archive der drei Speziallinien in Büdingen, Meerholz und Wächtersbach, nicht zu verwechseln mit dem Gesamtarchiv in Büdingen, das gemeinsames Eigentum aller drei Speziallinien war. Ihren Namen „Rentkammerarchive“ erhielten diese Archive, weil nach der Mediatisierung 1806/15 die Rentkammern als jetzt einzige Behörden der Standesherren die Verwaltung aller Unterlagen der Speziallinien übernahmen und diese in einem Archiv zusammenfassten.

* Dies schloss ein die Akten der Regierungen und ihrer Organe aus den Zeiten selbständiger Regierung der Chefs der Speziallinien. Angesichts des Anschwellens der Aktenflut im 18. Jahrhundert waren diese „Landesarchive“ – die nicht zum Hausvermögen, sondern dem Vermögen der Standesherrschaften als Untergliederungen des Staates gehörten – von erheblichem Umfang.   

* Neue Akten der Verwaltung des den Speziallinien verbliebenen Vermögens kamen hinzu. Dies Vermögen gehörte als „Hausvermögen“ grundsätzlich zum Fideikommiss, so dass auch die dazugehörigen Akten Eigentum des Fideikommisses waren. Für das – ohnehin nur in bescheidenem Umfang vorhandene – Privatvermögen einzelner Familienmitglieder waren die Rentkammern nicht zuständig.

Der Inhalt der drei Rentkammerarchive war daher entweder Eigentum des Staates oder der Fideikommisse.

Faktischer Inhaber: Angegeben wird Casimir Alexander Prinz zu Ysenburg und Büdingen mit Anschrift in Büdingen im Schloss. Allerdings ist er wohnhaft in London ohne Meldung in Büdingen - vorher offensichtlich „Kulturgut Fürst zu Ysenburg und Büdingen GbR“ - vorher Otto Friedrich Fürst zu Ysenburg und Büdingen.   

Gesetzlicher Eigentümer der vormaligen Hausarchive der Speziallinien Büdingen, Meerholz und Wächtersbach: Noch einzurichtende Stiftungen nach Maßgabe der hessisch-preußischen Vereinbarung vom 23. März 1923 (siehe oben), die den Übergang aller den Ysenburger Fideikommissen gehörenden Archive auf Stiftungen vorschreibt.
Privatvermögen konnten diese Archive daher nicht werden. Wegen der immer noch ausstehenden Gründung der gesetzlich vorgeschriebenen Stiftungen ist das Auflösungsverfahren diesbezüglich noch nicht abgeschlossen.
Eigentümer der „Landesarchive“ in den Archiven der drei Speziallinien ist das Land Hessen.

Nutzung durch die Öffentlichkeit: Nutzung durch die Öffentlichkeit ist rechtlich gewährleistet durch die gesetzliche Vorgabe der Umwandlung in Stiftungen mit Benutzungsordnung. Faktisch blieb die Öffentlichkeit indes ausgeschlossen.
Es hat sich niemand finden lassen, der eine einzige zu einem einzelnen Orte gehörende Akte des 18./19. Jahrhunderts aus dem gesamten Büdinger Archivgut gesehen hätte, obwohl solche ortsbezogenen Akten einen Großteil der vormaligen Rentkammerarchive ausmachen müssen. Nachfragen nach den Rentkammerarchiven wurden regelmäßig dahin beschieden, dass die Rentkammerarchive von Meerholz und Wächtersbach nicht hinreichend geordnet und daher nicht benutzbar seien. Im Einzelfall konnten dann allerdings Wächtersbacher und Meerholzer Generalakten eingesehen werden. Nach dem Rentkammerarchiv von Büdingen fragte niemand, da es unzutreffend mit dem Gesamtarchiv zusammengeworfen wurde. Dass die Regierungsakten des 18. Jahrhunderts z.B. für die Stadt Büdingen oder den Herrenhaag nicht im Gesamtarchiv, sondern in einem andern Archiv liegen, darauf kam man nicht. 1991 ließ der seinerzeitige Archivar in der Zeitschrift Genealogie wissen, dass das Büdinger Rentkammerarchiv teilweise noch von der Ysenburger Vermögensverwaltung verwaltet werde und zu den Meerholzer und Wächtersbacher Archiven „noch bisher ungeordnetes Material“ gehöre.
Möglicherweise beziehen sich auf diese Archive seine Angaben in der FAZ vom 25.08.1994: „Hier liegen bündelweise Akten, die nicht geöffnet sind“.

Umfang: Bezifferungen sind nicht möglich, da solche nur für das gesamte Ysenburger Archivgut in Büdingen gemacht wurden (siehe oben „Gesamtarchiv“).   
Dass die Rentkammerarchive von größerem Umfang sind, liegt auf der Hand. Sie enthalten schließlich die staatliche Überlieferung der drei Teilgrafschaften Büdingen, Meerholz und Wächtersbach aus dem 18. und beginnenden 19. Jahrhundert und damit wichtigste Überlieferung für etwa 60 Ortschaften. In welchem Umfang es dabei Verschiebungen zwischen Gesamtarchiv und Rentkammerarchiven (durch Abgabe älterer Akten in die Rentkammerarchive oder Eingliederung jüngerer Akten aus dem Büdinger Rentkammerarchiv in das Gesamtarchiv) gegeben hat, ist unbekannt.

2a. Ysenburg-Büdingen

Bei den Staatsunterlagen betroffene Orte:      
Wetteraukreis: Aulendiebach, Büches, Büdingen, Calbach, Diebach am Haag, Düdelsheim, Dudenrod, Effolderbach, Hain-Gründau, Heegheim, Lorbach, Mittel-Gründau, Nieder-Mockstadt, Ober-Mockstadt, Orleshausen, Rinderbügen, Rohrbach, Staden, Stockheim, Vonhausen, Wolferborn

Repertorien: Nach Angaben des letzten hauptamtlichen Archivars gab es zumindest von Teilen des Archivs der Büdinger Speziallinie Aufnahmen auf Zettel, die in neuester Zeit übertragen worden seien. Auch seien die Büdinger Forstakten von der Forstverwaltung durch Verpackung und „EDV-mäßige Umstellung der Findbücher…hervorragend erschlossen“ worden. In diesen Kontext gehört wohl die Angabe: „Ein Teil der Rentkammerakten ist als Altregistratur noch in Benutzung, insbesondere die Abt. 4-6 (Forst, Jagd, Fischerei) bei der Fürstlichen Forstverwaltung“.(23)
Nieß(24) in großem Umfang und Ackermann(25) in geringerem Umfang zitieren aus „Rentkammerakten Büdingen“ (unterschieden vom Gesamtsarchiv) des 18./19. Jahrhunderts, unter Angabe von Abteilung und (unterschiedlicher) Nummerierung aus Römischen Zahlen, Arabischen Zahlen und Buchstaben. Dies weist auf ältere Inventare hin. Einige Male zitiert Nieß auch aus Akten des „Ysenburgischen Forstamtes Büdingen“ aus dem 18. Jahrhundert (wohl der von der Fortverwaltung verwaltete Teil).

 

2b. Ysenburg-Meerholz

Bei den Staatsunterlagen betroffene Orte:  

Main-Kinzig-Kreis: Gettenbach, Gondsroth, Hailer, Haitz, Lieblos, Meerholz, Neuenhaßlau, Niedergründau, Niedermittlau, Roth, Rothenbergen
Wetteraukreis: Alt-Wiedermus, Eckartshausen, Himbach, Langen-Bergheim.

Repertorien: Es gibt ein Inventar des 19. Jahrhunderts in zwei Bänden. Dem Staatsarchiv Darmstadt wurde keine Kopie überlassen.   
Die beiden letzten Archivare und Walter Nieß haben aus Akten des Meerholzer Archivs des 18. Jahrhunderts zitiert, unter Angabe einer Nummerierung (Abteilung, Faszikel und Nummer). Ackermann zitiert aus „Akten Meerholz, ungeordneter Bestand“ zum Thema Schuldenverwaltung des 18. Jahrhunderts.
Der letzte hauptamtliche Archivar hat ausgeführt: „Nach dem Tod des letzten Meerholzer Grafen Gustav am 28. April 1929 gelangten die Akten zwar in das Gesamtarchiv im Büdinger Schloß, jedoch nicht mehr im alten Zusammenhang und ohne die zugehörigen Verzeichnisse. Zwar wurde hier wieder ein Bestand ‚Meerholzer Akten’ zusammengestellt, doch beginnen die einzelnen Abteilungen erst mit Vorgängen des 19. Jahrhunderts, während die älteren Archivalien, sofern noch vorhanden, weiter der Sichtung und Erschließung harren“. In der Fußnote hat er weiter ausgeführt: „Fürstlich Ysenburg und Büdingisches Archiv Büdingen (BüdA), Bestand Gräflich Meerholzische Akten, Fasz. 1-143, mit handschriftlichem Verzeichnis (MeerA), sowie ungeordneter Bestand Fasz. 1-65, unverzeichnet (MeerA Ung)“. Als dritter Bestand ist hinzugefügt „Bestand Meerholzer Administration (im Aufbau)“. Hierzu gehören wohl die in den Fußnoten angeführten „Meerholzer und Liebloser Kellereirechnungen“.(26)
Demnach gäbe es verzeichnete und unverzeichnete Archivteile.

 

2b. Ysenburg-Wächtersbach

Bei den Staatsunterlagen betroffene Orte:  

Main-Kinzig-Kreis: Breitenborn, Hellstein, Hesseldorf, Leisenwald, Neuenschmidten, Schlierbach, Spielberg, Streitberg, Udenhain, Wächtersbach, Waldensberg, Weilers, Wittgenborn
Wetteraukreis: Assenheim, Bönstadt, Bruchenbrücken, Helfersdorf, Karber Mark, Michelau, Ronneburg, Wolferborn

Repertorien: Es gibt ein älteres Inventar. Dem Staatsarchiv Darmstadt wurde keine Kopie überlassen.   
Es gab unverzeichnete Bestände. 1997 schrieb der letzte hauptamtliche Archivar von „ungeordneten Beständen des alten Archivs in Schloß Wächtersbach, das heute in das Fürstlich Ysenburgische Archiv Büdingen integriert ist“.(27) Von diesen „ungeordneten und unverzeichneten Wächtersbacher Altakten“ seien von ihm „aufgrund von Vorarbeiten von Frau Dr. Reimers (Zettel) vorläufige Verzeichnisse angelegt worden“.(28)
Nieß zitiert aus „Archiv Wächtersbach, Forstabteilungsakten“ des 18./19. Jahrhunderts unter Angabe von „Gefach“ und Nummer – Ackermann zitiert aus Finanzakten des 18. Jahrhunderts unter „Wächtersbach, ungeordneter Best. I, III, V“.

 

Solmser Archive

 

Unterteilung des Gesamthauses Solms 1806 bei der Mediatisierung:

Solms-Braunfels (Solms-Lich)
Solms-Hohensolms-Lich (Solms-Baruth)
Solms-Laubach – Solms-R.

Seit 1970 nennt sich die Linie Solms-Braunfels in weiblicher Erbfolge „Oppersdorff Solms-Braunfels“.
Die Regenten von Solms-Braunfels und Solms-Hohensolms-Lich waren seit 1743/92 Titularfürsten ohne rechtliche Auswirkungen.

Auflösung der Fideikommisse erfolgte einzeln:

* Die Fideikommisse von Solms-Braunfels, Solms-Lich und Solms-Rödelheim lagen sowohl in Preußen als auch in Hessen und wurden im Einvernehmen von Staat und beteiligten Familien während der Weimarer Republik freiwillig aufgelöst. Hierzu wurden Vereinbarungen zwischen Hessen und Preußen mit Gesetzeskraft abgeschlossen, die auch Verbleib und Benutzung der Archive regelten.

* Das Fideikommiss von Solms-Laubach lag in der Hauptsache nur in Hessen. Hier ergab sich wegen Minderjährigkeit des nächsten Anwärters keine freiwillige bzw. automatische Auflösung, so dass das Fideikommiss 1938/39 im Zuge der Zwangsauflösung aller noch verbliebenen Fideikommisse durch Gesetz aufgelöst wurde. Für das Archiv gelten daher die Bestimmungen des Gesetzes und der anschließenden Verordnung von 1938/39, die sichere Aufbewahrung und Zugang der Öffentlichkeit sicherstellen und hierzu dem Fideikommissgericht umfassende Vollmachten einräumen.

Vom Archiv der Speziallinie Solms-Rödelheim sind Landesarchiv und fast das gesamte Familienarchiv inzwischen Bestandteil des Staatsarchivs Darmstadt. Im Assenheimer Schloss befindet sich nur noch ein kleiner Bestand an Familiennachlässen. Dieser unterliegt zwar der Schutzgesetzgebung von 1923 und der Aufsicht des Fideikommissgerichts, ein Anspruch der Öffentlichkeit auf Zugang besteht aber nicht.

 

I. Solms-Braunfels

Standort: 35619 Braunfels, Schloss

Betreiber des Archivs und Eigentümer des Bestandteils „Hausarchiv“: „Fürst zu Solms-Braunfelssche Familienstiftung“
Anschrift: 35619 Braunfels, Schloss

Die Gründung der Stiftung erfolgte gemäß der Vereinbarung mit Gesetzeskraft zwischen Hessen und Preußen vom 23. März 1923(29) („die zum Hausvermögen gehörenden Gegenstände von besonderem künstlerischem, wissenschaftlichen oder geschichtlichem Wert, namentlich Sammlungen und Archive, sind auf Grund des § 18 des preußischen Adelsgesetzes nach Maßgabe des Familienschlusses in eine Stiftung umzuwandeln. Die Festsetzung der Benutzungsordnung der Archive erfolgt im Einvernehmen mit dem hessischen Staatsarchiv“.

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Die Gründung selbst erfolgte durch Beschluss des Auflösungsamts für Familiengüter in Kassel vom 1. Februar 1930.

Die  Satzung der Stiftung wurde am 28.11.1958 durch das Fideikommissgericht für Hessen erneut festgestellt(30). § 11 lautet:
„(1) Die Sammlungen (Museum und Archiv) sind im Schloß zu Braunfels aufzubewahren, sofern nicht der Eigentümer des Schlosses die dauernde Benutzung anderer, in gleicher Weise für die Zwecke der Sammlungen geeigneter Räume innerhalb des früheren Solmser Landesgebietes zur Verfügung und sicher stellt. Eine sonstige Unterbringung ist nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zulässig.
(2) Das Archiv darf nicht länger als ein Jahr geschlossen bleiben; muß es aus irgend einem Grund länger als 1 Monat geschlossen werden, so hat der Stiftungsvorstand dieses in geeigneter Weise bekannt zu machen.
(3) Die Besuchs- und Benutzungsordnungen werden von der Aufsichtsbehörde festgestellt. Dieser bleiben auch etwa erforderliche Abänderungen vorbehalten. Der Vorstand hat für die Innehaltung der Besuchs- und Benutzungsordnungen zu sorgen.“

Nutzung durch die Öffentlichkeit wurde gewährleistet durch die Benutzungsordnung vom 2.1.1929, die von der Auflösungsbehörde im Einvernehmen mit dem Staatsarchiv Darmstadt erlassen wurde.(31) Sie ist bis auf kleine sprachliche Abweichungen identisch mit der für die Isenburger Archiven erlassenen Benutzungsordnung (siehe oben).
Eine auf den 01.02.1997 datierte einseitige Benutzungsordnung des Vorstandes der Stiftung – die im Kern der Benutzungsordnung von 1929 entspricht - wurde dem Fideikommissgericht 1997 vorgelegt. Eine einseitige Gebührenordnung vom 01.01.2008 wurde jetzt vorgelegt.(32)

Bei den Staatsunterlagen betroffene Orte:

Lahn-Dill-Kreis: Albshausen, Allendorf, Altenberg, Altenstädten, Aßlar, Bechlingen, Berghausen, Biskirchen, Bissenberg, Bonbaden, Braunfels, Breitenbach, Burgsolms, Daubhausen, Dillheim, Dreisbach, Edingen, Ehringhausen, Greifenstein, Greifenthal, Griedelbach, Holzhausen, Katzenfurt, Kölschhausen Kraftsolms, Kröffelbach, Laufdorf, Leun, Münchholzhausen, Nauborn, Neukirchen, Niederbiel, Niedergirmes, Niederlemp, Niederquembach, Niederwetz, Oberbiel, Oberndorf, Oberquembach, Oberwetz, Schwalbach, Steindorf, Stockhausen, Tiefenbach, Ulm, Werdorf

Kreis Gießen: Bellersheim, Bettenhausen, Birklar, Grüningen, Holzheim, Hungen, Langsdorf, Muschenheim, Nieder-Bessingen, Nonnenroth, Obbornhofen, Röthges, Villingen

Wetteraukreis: Gambach, Griedel, Münzenberg, Trais-Münzenberg, Weckesheim, Wölfersheim

Umfang(33): 3800 Urkunden – 970 lfdm Akten und Amtsbücher (darunter Protokolle, Zinsbücher und Rechnungen der einzelnen Orte)
Zum Archiv gehört auch das Archiv der Prämonstratenserinnenabtei Altenberg.

Repertorien: Zettelrepertorium für die Urkunden - Achtbändiges älteres Aktenrepertorium, neueres Verzeichnis des Kabinettsarchivs, Repertorium des Rechnungsarchivs (keine Kopien in den Staatsarchiven).

 

II. Solms-Lich

Standort: 35423 Lich, Schloss

Betreiber des Archivs und Eigentümer des Bestandteils „Hausarchiv“: Christian Prinz zu Solms-Hohensolms-Lich
Anschrift: 35423 Lich, Schloss 

Nutzung durch die Öffentlichkeit ist gewährleistet durch

1. die hessisch-preußische Vereinbarung mit Gesetzeskraft vom 8. Februar 19241: „§ 6 (1): Das zum Hausgut gehörende Archiv ist auch fernerhin der Benutzung durch die Allgemeinheit offen zu halten. Die Auflösungsbehörde hat eine Benutzungsordnung aufzustellen: diese bedarf der Genehmigung des Hessischen Ministeriums der Justiz und gilt gegenüber dem jeweiligen Eigentümer insbesondere auch dann noch, wenn bereits die Auflösung des Hausguts eingetreten und die Hausgutseigenschaft schon in den Grundbüchern gelöscht ist“.

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2. den vorausgehenden Familienschluss zur Auflösung durch die Inhaber und Anwärter des Fideikommisses vom 29. September 1923, der auch eine Regelung zum Archiv enthält:

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3. Die Benutzungsordnung vom 9. Dezember 1931, die nach einem Entwurf des Hessischen Staatsarchivs unter Zustimmung des Hausgutinhabers erlassen und am 10. Juni 1932 vom hessischen Justizminister genehmigt wurde (siehe folgende Seiten).

Die Aufsicht über die zum Hausgut gehörenden Teile des Archivs wurde der hessischen Landesregierung übertragen. Die Auflösung des Fideikommisses selbst erfolgte zwar durch die preußische Auflösungsbehörde. Auf Seiten Preußens ging man indes davon aus, dass die Auflösungsbehörden nur noch eine beschränkte Zeit bestehen würden. Der preußischen Auflösungsbehörde wurde daher nur die Vorbereitung der Archivbenutzungsordnung übertragen. In Kraft treten sollte diese erst durch die Genehmigung der hessischen Staatsregierung, und dieser, nicht der Auflösungsbehörde wurden auf preußischen Wunsch in der Benutzungsordnung Aufsichtsmaßnahmen übertragen. Die Benutzungsordnung wurde von der preußischen Auflösungsbehörde in Kassel mit Beschluss vom 9. Dezember 1931 erstellt und vom hessischen Justizminister am 10. Juni 1932 genehmigt. Sie sollte gegenüber allen Inhabern des Archivs gelten.(35)

Ein Sicherungsbeschluss des Fideikommissgerichts ist daher nicht ergangen, und auch sonst sind Aktivitäten des Fideikommissgerichts nicht festzustellen.(36)

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III. Solms-Laubach

Standort: 35321 Laubach, Schlosskomplex

Betreiber es Archivs und Eigentümer des Bestandteils „Hausarchiv“:
Karl Georg Graf zu Solms-Laubach
Anschrift: 35321 Laubach, Schloss

Nutzung durch die Öffentlichkeit: Laut Gesetz vom 6. Juli 1938 (siehe folgende Seite) ist sie vom Fideikommissgericht der Öffentlichkeit zu ermöglichen. Das Fideikommiss kann hierzu auch eine Stiftung einrichten (siehe oben „Deutschlandweite Gesetzgebung“):
„Das Fideikommißgericht hat von Amts wegen Vorsorge für ordnungsgemäße Erhaltung zu treffen, soweit die Gegenstände gefährdet erscheinen und ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt. - Insbesondere kann es über die Aufbewahrung der Gegenstände und ihre Erhaltung Bestimmungen treffen und die Vornahme von Veränderungen, einen Standortwechsel sowie die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungen von behördlicher Genehmigung abhängig machen. - Es hat auch Vorsorge zu treffen, dass Gegenstände von besonderem künstlerischem, wissenschaftlichem, geschichtlichem oder heimatlichem Wert in angemessener Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. - Es kann zur Erhaltung von Amts wegen auch Stiftungen errichten. - Dem Leiter des Staatlichen Archivs soll das Fideikommißgericht regelmäßig die Beaufsichtigung der Gegenstände und Sachgesamtheiten einräumen“.

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Bei den Staatsunterlagen betroffene Orte:

Kreis Gießen: Freienseen, Gonterskirchen, Inheiden, Lardenbach, Laubach, Ruppertsburg, Trais-Horloff, Utphe, Wetterfeld

Wetteraukreis: Münzenberg, Trais-Münzenberg, Wohnbach

Umfang(39): 688 Urkunden – ca. 580 lfdm Akten und Amtsbücher (darunter solche aus Kloster Arnsburg): Landesarchiv („großes Archiv“), Familienarchiv („kleines Archiv“), Verwaltungsarchiv.

Repertorien: Urkundenverzeichnis (Regesten der Urkunden und die meisten Urkunden selbst sind digital aufrufbar als Bestand X2 des Staatsarchivs Darmstadt) – Ergänztes Aktenverzeichnis des 18. Jahrhunderts (Keine Kopie im Staatsarchiv).

 

Stolberger Archive

Unterteilung des Gesamthauses Stolberg von der Mediatisierung 1806 bis zur Auflösung der Fideikommisse:

Stolberg-Wernigerode (Stolberg)
Stolberg-Roßla Stolberg-Stolberg

 

Die am Harz angesessenen Stolberg erbten 1535 die Grafschaft Königstein, behielten davon aber 1581 nur noch die Herrschaften Ortenberg und Gedern.
Der Linie Wernigerode war Gedern, der Speziallinie Roßla Ortenberg zugeteilt.
Die Chefs aller drei Linien führten seit 1890/93 den Fürstentitel. 1982 fiel das Vermögen von Stolberg-Roßla einschließlich Archivs im Erbgang an ein Mitglied der Familie Stolberg-Wernigerode, das sich inzwischen Stolberg-Roßla nennt.

Die Archivstruktur ist komplizierter als sonst der Fall ist. Archive der beiden Linien Wernigerode und Roßla bestanden sowohl am Harz als auch vor dem Vogelsberg. Hierbei gab es Verlagerungen an den Harz.

* Von Stolberg-Roßla sind verblieben   
1. Weniger umfangreiches Hauptarchiv am Harz (zurzeit noch im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Standort Wernigerode, Bestand H7)
2. Urkunden des Stolberg-Roßlaschen Archivs in Ortenberg, im 19. Jahrhundert nach Roßla transferiert (zurzeit noch im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Standort Wernigerode, Bestand H6).
3. Stolberg-Roßlasches Archiv Ortenberg (Akten).

* Von Stolberg-Wernigerode sind verblieben
1. Umfangreiches Hauptarchiv am Harz (zur Zeit noch im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Standort Wernigerode, Bestand H9 – darunter H9-34 Kammer Wernigerode, Rentamtsbezirk Gedern, 8,8 ldfm ab 1799, und H9-42 Familienarchiv Gedern, 10,8 lfdm 1253-1827)
2. Stolberg-Wernigerodesches Archiv Gedern (seit 1934/35 mit dem Stolberg-Rosslaschen Archiv in Ortenberg vereint).

Aus den Akten der beiden in Ortenberg zusammengeführten Archive wurden 211 Urkunden (aus der Zeit nach der Mitte des 15. Jahrhunderts) entnommen und zu einem eigenen Bestand zusammengeführt.

 

a. Stolberg-Roßla (Ortenberg)

Standort: 63683 Ortenberg, Schlosskomplex

Betreiber des Archivs und Eigentümer des Bestandteils „Hausarchiv“: „Stiftung Hausgut Stolberg-Roßla in Ortenberg“, die nach dem Erliegen der Urstiftung in Roßla (nach dem Zweiten Weltkrieg im Zuge der Bodenreform in der vormaligen DDR) abgetrennt wurde(40).

Anschrift: 63683 Ortenberg, Schloss

Die Gründung der Urstiftung mit Sitz in Roßla erfolgte aufgrund der Vereinbarung mit Gesetzescharakter zwischen Hessen, Anhalt und Preußen vom 9. Mai 1923(41) über die Auflösung des Roßlaschen Fideikommisses. Dieser Stiftung waren gesetzlich „die zum Hausvermögen gehörenden Archive“ zu übertragen.

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Dieser Urstiftung gehörten auch die nach Roßla aus Ortenberg abgegebenen Urkunden sowie alle sonstigen Roßlaer Archive, soweit diese zum Hausgut gehört hatten. Eine etwaige Rückgabe hätte an diese Stiftung zu erfolgen, die ggf. in Sachsen-Anhalt wieder zu aktivieren wäre. Die Unterlagen staatlichen Charakters in diesen Archiven („Landesarchive“) waren und sind Eigentum des Landes Sachsen-Anhalt, eine Rückgabe wäre ein Absurdum.

 

Nutzung durch die Öffentlichkeit: Gewährleistet durch die aufgrund der Vereinbarung vom 9. Mai 1923 im Einvernehmen mit dem Staatsarchiv Darmstadt erlassene Benutzungsordnung, die nicht vorliegt – Nach der Abspaltung der „Stiftung Hausgut Stolberg-Roßla in Ortenberg“ ergingen 1959 und 1984 Beschlüsse des Fideikommissgerichtes für Hessen mit Sitz in Kassel, „die sichere Verwahrung und Benutzbarkeit für wissenschaftliche Forschung“ festlegen(42).. Dies beinhaltete offensichtlich auch eine Benutzungsordnung. Es ist davon auszugehen, dass diese Beschlüsse inhaltlich dem für das Archiv von Solms-Braunfels Erlassenen entsprechen (siehe oben).

 

Bei den Staatsunterlagen betroffene Orte:

Wetteraukreis: Heuchelheim, Hirzenhain, Mittel-Seemen, Münzenberg, Nieder-Seemen, Ober-Seemen, Ortenberg, Steinberg.

Umfang(43): Für die beiden im Stolberg-Rosslaschen Archiv in Ortenberg zusammengeführten Archive von Ortenberg und Gedern zusammen werden 212 Urkunden und ca. 200 lfdm Akten genannt.

Repertorien: Separate Repertoriem des 19. Jahrhunderts der nach Roßla überführten Urkunden und der weiterhin in Ortenberg aufbewahrten Akten (Jeweils Kopien im Staatsarchiv Darmstadt).

 

b. Stolberg-Wernigerode (Gedern)

Standort: 63683 Ortenberg, Schlosskomplex

Das Archiv hatte seinen Standort ursprünglich im Schloss in Gedern. Im Zuge von wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Linie Stolberg- Wernigerode völlig verwahrlost und hochgefährdet, wurde es vor 1934 von der Linie Stolberg-Roßla übernommen und nach Ortenberg überführt.

Betreiber des Archivs und Eigentümer des Bestandteils „Hausarchiv“: Alexander Prinz zu Stolber-Roßla
Anschrift: 63683 Ortenberg, Schloss

Nutzung durch die Öffentlichkeit: Gewährleistet durch die nicht vorliegende Benutzungsordnung, erstellt vom Auflösungsamt für Familiengüter in Naumburg im Envernehmen mit dem Hessischen Staatsarchiv aufgrund der hessisch-preußischen Vereinbarung „über die einheitliche Auflösung des Stolberg-Wernigerode’schen Hausvermögens“ vom 27. Oktober 1923(44).

Der Passus zum Gederner Archiv ging auf nachdrückliche Intervention von Staatsarchivdirektor Dieterich zurück.

Die Auflösung des Wernigerodeschen Fideikommisses erfolgte aufgrund des Familienschlusses, der am 24. März 1923 vor dem Auflösungsamt in Naumburg verlautbart wurde. In § 5 dieses Familienschlusses wurde festgelegt: „Es wird dem Rechtsnachfolger im Besitz des vormaligen Stammguts zur Pflicht gemacht, die vorhandenen Sammlungen, insbesondere die Bibliothek, das Archiv und das Fürst Otto Museum in der bisherigen Weise zu verwalten, insbesondere auch das Museum und die Bibliothek der Öffentlichkeit, das Archiv wissenschaftlichen Zwecken weiter zugänglich zu machen“.
Im Beschluss des Auflösungsamtes für Familiengüter in Naumburg vom 24. Juni 1933, der den Familienschluss bestätigt, wurde ausgeführt, dass „die Sicherung des Fürst-Otto-Museums und des Archives, soweit das infolge der für das Hausvermögen eingetretenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten noch möglich war, durch die Waldsicherung erfolgt“ ist.(45)
Standortwechsel von Archiv und Museum in Wernigerode dürften diesen Regelungen schwerlich gemäß sein.

 

Bei den Staatsunterlagen betroffene Orte:

Wetteraukreis: Effolderbach, Gedern, Glauberg, Lindheim, Ranstadt, Usenborn

Vogelsbergkreis: Volkartshain

 

Umfang: Siehe Stolberg-Roßla (Ortenberg)

 

Repertorien: Ausführliches Repertorium, 1934/35 von Kreisurkundenpfleger Karl Heuson erstellt, an der Einteilung des Stolberg-Roßlaschen Archivs in Ortenberg orientiert – Die wenigen Urkunden und die Akten wurden nicht geschieden – Unterlagen der ehemals reichsritterschaftlichen Ortschaft Lindheim sind integriert – in „Ortenberger Nachträgen“ von Gisela Spruck, 1967, sind vor allem Rechnungen von Hof, Gemeinden und Kirchen des 18. Jahrhundert verzeichnet. (Kopien von Repertorium und Nachträgen im Staatsarchiv Darmstadt).

 

Andere vormals standesherrliche Archive in Hessen

 

Im Staatsarchiv Darmstadt befinden sich

*** Das Landes- und Verwaltungsarchiv der Grafschaft Solms-Rödelheim (Eigentum des Landes Hessen durch Ankauf von 1970 – 2717 Urkunden, 659 m Akten und Amtsbücher - Bestände B9/F24 – ein Kern des Hausarchivs mit den persönlichen Nachlässen der Familie blieb in Assenheim. Die 1927 aufgestellte Benutzungsordnung gilt für dies Archiv nicht, es unterliegt aber den hessischen Schutzgesetzen von 1923).

*** Das Archiv der Amts- und Kameralverwaltung der Grafschaft Isenburg-Philippseich (Nur Reste von 3,75 m nach Kriegsverlusten, Bestand F22, sonstige Unterlagen im Isenburgischen Archiv in Birstein und Ysenburgischen Gesamtarchiv in Büdingen).

*** Das Archiv der Grafschaft Erbach-Schönberg (Übergabe/Depot – 8 Urkunden und 54 m Akten - Bestände B12/F21)

*** Das Archiv der Grafen Schlitz gen. Görz (Übergabe/Depot – 2197 Urkunden, 533 m Akten und Amtsbücher - Bestände B8/F23)

*** Das Archiv der Freiherrn Riedesel zu Eisenbach (uneigentliche hessische Standesherren, Übergabe/Depot an das Land Hessen – 1352 Urkunden und 737 m Akten und Amtsbücher – Bestände B13/F27)

 

Im Staatsarchiv Wiesbaden befinden sich

*** Die Reste des Archivs der Grafen zu Leinigen-Westerburg (Eigentum des Landes Hessen durch Schenkung von 1928 - der größere Teil Kriegsverlust – 42 Urkunden und 61 m Akten - Bestand 339).

*** Hessen betreffende Teile des Archivs der Grafen zu Bassenheim (Eigentum des Landes Hessen durch Ankauf von 1926, die Archivalien waren im 19. Jahrhundert nach Bayern gelangt – die Unterlagen sind verteilt auf die Bestände 3/9 (Herrschaft Kransberg), 123 (Bassenheimisches Haus und Standesherrschaft), 124 (Ostein), 333 (Herrschaft Reifenberg) – 487 Urkunden und 141 m Akten und Amtsbücher).

 

Die Archive der Grafen zu Erbach sind ein Sonderfall.(46)

Das Gesamtarchiv der drei Linien, in die sich das Haus Erbach 1718 geteilt hatte, ist im Weltkrieg einschließlich Inventaren untergegangen (5100 Urkunden und ca. 350 m Akten). Ein für die Geschichtsschreibung des Odenwaldes unersetzlicher Verlust. Dies Archiv enthielt wie in Büdingen die bei der Teilung vorhandenen Unterlagen, nahm aber nach der Teilung offensichtlich in größerem Ausmaß als in Büdingen Unterlagen der Teillinien auf. Bei der Auflösung der Fideikommisse konnte die hessische Staatsregierung die Deponierung dieses Archivs im Staatsarchiv Darmstadt zur Bedingung machen. Dabei wurden dem Gesamtarchiv weitere Unterlagen (hauptsächlich wohl Rechnungen) aus den „Rentkammerarchiven“ zugeführt. Die Rentkammerarchive der drei Erbacher Linien – in zwei Fällen jetzt nur von bescheidenem Umfang - hatten daher weniger staatlichen und mehr privaten Charakter als andere vormals standesherrliche Archive.(47) Bei der Fideikommissauflösung ergingen keine staatlichen Benutzungsregelungen.

*** Das stark geschrumpfte Erbach-Schönbergische Archiv wurde nach dem Zweiten Weltkrieg im Staatsarchiv Darmstadt deponiert.
*** Das Gräflich Erbach-Erbach und Wartenberg-Rothische Archiv (ca. 30 lfdm Akten und Amtsbücher) im Schloss in Erbach unterliegt der Gesetzgebung von 1938/39 (siehe Solms-Laubach).(48)
*** Das Gräflich Erbach-Fürstenauische Haus und Familienarchiv (350 lfdm Akten und Amtsbücher des 18./19.Jh.) im Schloss in Michelstadt-Steinbach wird von der Kreisarchivarin des Odenwaldkreises betreut und ist über sie zugänglich.

Weitere Adelsarchive des niederen Adels enthalten – allerdings nur in geringem Umfang – staatliche Unterlagen über Kleingebiete oder einzelne Ortschaften. Da die Familien und ihre Herrschaftsgebiete spätestens seit 1806 in größere Staaten inkorporiert waren, ohne Stellung und Privilegien der Standesherren, ist die Rechtslage bei diesen Archiven eine andere. Im Gebiet des ehemaligen Volksstaates Hessen unterliegen sie der Schutzgesetzgebung von 1923. Einzelne (so noch die Archive der Eltz, Greiffenclau, Wambolt) sind in privater Verwaltung, die meisten dürften bei den Staatsarchiven deponiert sein, fast alle davon beim Staatsarchiv Marburg (in größerer Anzahl, aber überwiegend von sehr geringem Umfang). Einige sind auch verschwunden.

 

FAZIT

1. Die 10 hier behandelten vormals standesherrlichen Archive verwahren als Archive von selbständigen Kleinländern des alten Deutschen Reiches die wichtigste ältere Überlieferung von über 200 Ortschaften mit etwa 400.000 Einwohnern.

2. Den größten Teil dieser Archive bilden die „Landesarchive“. Dies sind Unterlagen staatlichen Wirkens in Kleinländern, die von der Feldordnung über die Rechtpflege bis zur Kirchenverwaltung reichen und kraft Staatsrechts den Ländern gehören. Von den Unterlagen, die als „Familienarchive“ ebenfalls in diesen Archiven liegen, sind sie sorgfältig zu unterscheiden. Die Familien stellten lediglich die Regenten der Länder, hatten als solche mit der Regierung aber nichts zu tun.

3. 1806/15 wurden die vormals selbständig regierenden Grafen dieser Kleinstaaten zwar den Regenten größerer Staaten unterworfen. Dank der Wiener Kongressakte, die ihnen als nunmehrigen „Standesherren“ ihrer auf „Standesherrschaften“ reduzierten Kleinstaaten völkerrechtlich verbindlich nachrangige Regierungsrechte garantierte, blieben sie aber Staatsorgane und behielten daher bis 1918 die Landesarchive in ihrem Besitz.

4. Mit der Revolution von 1918 verloren die Standesherren ihren Sonderstatus. Ihre Standesherrschaften gingen in den neuen Republiken auf. Kraft Staatsrechtes gingen damit alle Unterlagen staatlichen Charakters der Standesherrschaften automatisch auf die neuen Republiken über. Eine Übernahme der Landesarchive durch diese wurde indes aus verschiedensten Gründen in der Schwebe gelassen. Die hessische Landesregierung hat aber ihren Rechtsanspruch ausdrücklich gewahrt.

5. Für die zehn hier behandelten Archive sorgte sie für vorläufige Regelungen. Bei der Auflösung der Fideikommisse der Standesherren wurden deren Familienarchive durch Stiftungen, ausnahmsweise auch durch öffentlich-rechtliche Verpflichtungen gesichert und Benutzung durch die Öffentlichkeit garantiert. Damit war auch Bestand und Benutzung der Landesarchive einstweilen sichergestellt.

6. Inzwischen ist von dieser eindeutigen Rechtslage so gut wie durchgehend keine Rede mehr, bei unterschiedlich gegebener Benutzung durch die Öffentlichkeit. Der Staat ist zur Intervention verpflichtet. Die beste Lösung wäre, die zehn organisch gewachsenen vormals standesherrlichen Archive zusammenzulassen und an einem zentralen Ort in Oberhessen als gemeinsames Eigentum von Land und jetzigen Inhabern zusammenzuführen. 

 

ANMERKUNGEN

 

1 „Hier ist an dem schon von Großherzog Ludwig I. 1806 aufgestellten Grundsatz festzuhalten, dass die standesherrlichen Archive in ein Landesarchiv und ein Familienarchiv zerfallen und daß dementsprechend die Familiensachen der betr. Familie, alle Landessachen aber dem Staate als dem Rechtsnachfolger gebühren“ (Gutachten des Direktors des Staatsarchivs Darmstadt für den hessischen Justizminister, Darmstadt 29/X/1929, STAATSARCHIV DARMSTADT G21A 8/7).

2 Abgaben aus einigen standesherrlichen Archiven im Großherzogtum Hessen sind angeführt in dem Gutachten des Direktors des Staatsarchivs Darmstadt für den hessischen Justizminister, Darmstadt 29/X/1929, STAATSARCHIV DARMSTADT G21A 8/7 – Entnahmen für Instanzen des Kurfürstentums Hessen aus den Isenburger Archiven sind archiviert im STAATSARCHIV MARBURG 108.

3 Bemerkungen für den hessischen Staatspräsidenten zu einem Vertragsentwurf über die Erbacher Archive, 1929, STAATSARCHIV DARMSTADT G21A 8/7.

4 Anmerkungen für den hessischen Staatspräsidenten im Zusammenhang mit der Übergabe des Graf von Erbachschen Archivs aus dem Jahre 1929, in STAATSARCHIV DARMSTADT G21A 8/7 – Gutachten des Direktors des Staatsarchivs Darmstadt für den hessischen Justizminister, Darmstadt 29/X/1929, ebenda.

5 In STAATSARCHIV DARMSTADT G21A 1511/2.

6 In STAATSARCHIV DARMSTADT F21B 383/4 Nr. 83.

7 „Eine solche Sichtung z.Zt. mit der gebotenen Beschleunigung durchzuführen, ist aber wohl fast unmöglich“. Auch würden dadurch die Auflösungen der Fideikommisse erschwert (Anmerkungen für den hessischen Staatspräsidenten 1929, wie Anm. 4).

8 Auf Sicherungsmaßnahmen, die aufgrund des Gesetzes vom 6/VII/1938 ergingen, bezieht sich der bekannte Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 27/X/2002 als Fideikommissgericht bezüglich der Fürstlich Thurn und Taxis’schen Hofbibliothek und des Fürstlich Thurn und Taxis’schen Zentralarchivs (BayObLGZ 2004,298).

9 Geboren in Holzhausen/Gladenbach, Dr. phil. in Gießen, 1900 Archivar des Staatsarchivs Darmstadt, 1911-29 dessen Direktor. Nach seiner Pensionierung wirkte er bis 1937 als Archivar des Großherzoglichen Familienarchivs und als Honorarprofessor an der Universität Gießen – Abbildung in STAATSARCHIV DARMSTADT R4 23580.

10 Stellungnahme vom 29/X/1929, in STAATSARCHIV DARMSTADT G21A 8/7.

11 „Alle Erzeugnisse der Natur sowie des Gewerbe- und Kunstfleißes, die sich im freien Verkehre des Reiches befinden, dürfen über die Grenze der Länder und Gemeinden ein-, aus- oder durchgeführt werden“.

12 Akten des hessischen Justizministeriums, STAATSARCHIV DARMSTADT G21A (Hauptregistratur des Justizministeriums): 1505-1507 (allgemeine Akten), 1511/1-3 (Erbach), 1516/1 (Isenburg), 1523/1-2 (Stolberg), 1525 (Solms).

13 Ob die vorhergehenden Teilungen bereits zu Archivaufspaltungen geführt hatten, ist nicht bekannt.

14 Im Einzelnen C. VOGEL: Die Kirchenstiftung „Präsenz“ in Büdingen (Büdingen und Assenheim 2014) - Auf unbekanntem Weg ist ein detailliertes Inventar der separat aufgestellten Teile der späteren Unterlagen des Archivs in die Unterlagen des Altkreises Büdingen gelangt (STAATSARCHIV DARMSTADT G15 Büdingen O 114).

15 Original des Auflösungsscheins mit Satzungen der beiden Stiftungen und Benutzungsordnung für Gesamtarchiv und Archiv in Büdingen, STAATSARCHIV DARMSTADT G21A 1516 1b).

16 Publiziert im HESSISCHEN REGIERUNGSBLATT 1923 Nr. 12 mit Verordnung vom 10/IV.

17 MINERVA-HANDBÜCHER, ARCHIVE IM DEUTSCHSPRACHIGEN RAUM (Berlin-New York 1974) S. 109 (Angabe von Stiftung und Benutzungsordnung) – ARCHIVE IN HESSEN KURZFÜHRER (Darmstadt 1996) S. 19 (keine Angabe von Stiftung und Benutzungsordnung). K.P. DECKER: Die isenburgischen Archive in Schloß Birstein und Schloß Büdingen, in: Genealogie 1991 S. 650-653 – DERS.: Archive der Fürstlichen Häuser Isenburg/Ysenburg in Birstein und Büdingen/Hessen, in: Archiv und Wirtschaft 27/1994 S. 62-68.

18 Regesten der mittelalterlichen Urkunden bei F. BATTENBERG: ISENBURGER URKUNDEN. REGESTEN ZU URKUNDENBESTÄNDEN UND KOPIAREN DER FÜRSTLICHEN ARCHIVE IN BIRSTEIN UND BÜDINGEN, 3 Bde. (Darmstadt/Marburg 1973).

19 Angaben: MINERVA-HANDBÜCHER, ARCHIVE IM DEUTSCHSPRACHIGEN RAUM (Berlin-New York 1974) S. 150 (stark unzutreffend) – ARCHIVE IN HESSEN, KURZFÜHRER (Darmstadt 1996) S. 21 (keine Erwähnung der Stiftung). D. REIMERS: Das Fürstlich Ysenburg und Büdingensche Archiv in Büdingen und sein Neubau, in: Der Archivar 22/1969 Sp. 308-310 – K.P. DECKER: Die isenburgischen Archive in Schloß Birsteinund Schloß Büdingen, in: Genealogie 1991 S. 650-653 – DERS.: Archive der Fürstlichen Häuser Isenburg/Ysenburg in Birstein und Büdingen/Hessen, in: Archiv und Wirtschaft 27/1994 S. 62-68.

20 Regesten der mittelalterlichen Urkunden bei F. BATTENBERG: ISENBURGER URKUNDEN. REGESTEN ZU URKUNDENBESTÄNDEN UND KOPIAREN DER FÜRSTLICHEN ARCHIVE IN BIRSTEIN UND BÜDINGEN, 3 Bde. (Darmstadt/Marburg 1973).

21 1991: 1140 lfdm im Brauhaus, außerdem „im Bandhaus der Rentkammer und in anderen Röumen derzeit noch etwa 500 lfd. Meter weiteren Materials“ (Decker in Genealogie) – 1996: „ca. 1500 lfmAkten und Amtsbücher (15.-20 Jh.; Altbestand Gesamtsarchiv Büdingen; Rentkammer und Präsenzakten; Archive der Speziallinien Wächtersbach und Meerholz ab 17. Jh.., reicher Rechnungsbestand)“ (Archive in Hessen) - 2005: 1140 lfdm. im Brauhaus (einschließlich Urkunden?) und 900 lfdm „Rentkammerakten“ und „Forstakten“ im Bandhaus (Angaben Decker gegenüber dem Staatsarchiv Darmstadt).

22 Urkundenregesten bei F. BATTENBERG: ISENBURGER URKUNDEN. REGESTEN ZU URKUNDENBESTÄNDEN UND KOPIAREN DER FÜRSTLICHEN ARCHIVE IN BIRSTEIN UND BÜDINGEN, 3 Bde. (Darmstadt/Marburg 1973).

23 K.P. DECKER: Die isenburgischen Archive in Schloß Birstein und Schloß Büdingen, in: Genealogie 1991 S. 651.

24 W. NIEß: Die Forst- und Jagdgeschichte der Grafschaft Ysenburg und Büdingen (Büdingen 1974).

25 J. ACKERMANN: Verschuldung, Reichsdebitsverwaltung, Mediatisierung = Schriften des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde 40 (Marburg 2002).

26 K.P. DECKER: Zur Frühgeschichte des Palais, in: (W. Weiglein Hsg.): Palais Meerholz 1697- 1997 (Gelnhausen 1997) S. 10-31.

27 K.P. DECKER: „Euer wohl affectionirter König…“, in: Festschrift zur 750-Jahrfeier der Stadt Wächtersbach (Wächtersbach 1986) S. 48.

28 Mitteilung vom 29.12.2005 an das Staatsarchiv Darmstadt.

29 Publiziert im HESSISCHEN REGIERUNGSBLATT 1923 Nr. 12 mit Verordnung vom 10/IV.

30 Mitteilung des Fideikommissgerichts für Hessen vom 4/XII/2014 (Fs 14).

31 Abschrift befindet sich bei den Akten des Fideikommissgerichtes für Hessen (Fs 14).

32 Mitteilung des Fideikommissgerichts für Hessen vom 5/I/2015 (Fs 14).

33 MINERVA-HANDBÜCHER, ARCHIVE IM DEUTSCHSPRACHIGEN RAUM (Berlin-New York 1974) S. 134 - ARCHIVE IN HESSEN, KURZFÜHRER (Darmstadt 1996) S. 20 – F. UHLHORN: Die Solmser Archive in der Wetterau, in: Archivalische Zeitschrift 39/1930 S. 69ff. - F. BATTENBERG: URKUNDEN DER GRAFSCHAFT SOLMS-RÖDELHEIM = Repertorien des hessischen Staatsarchivs Darmstadt 15/1-5 (Darmstadt 1981-86)

34 Veröffentlicht mit Verordnung vom 19/II im HESSISCHEN REGIERUNGSBLATT 1924 Nr. 12.

35 Vorgang des hess. Justizministeriums STAATSARCHIV DARMSTADT G21A 1524/3.

36 Mitteilung des Fideikommissgerichts für Hessen, Kassel 8/XII/2014 (Fs 72). Im ähnlich gelagerten Fall des Archivs von S o l m s - R ö d e l h e i m (gesetzliche Garantie der Zugänglichkeit und Erlass einer Benutzungsordnung, die mit der für das Archiv in Lich erlassenen fast völlig übereinstimmt) wurde dagegen von den gesetzlich dazu beauftragten Regierungen von Preußen und Hessen die Aufstellung der Benutzungsordnung und die Aufsicht der preußischen Auflösungsbehörde in Frankfurt übertragen. Es erging daher unter dem 4. März 1941 ein Sicherungsbeschluss und wurde die Aufsicht dem Staatsarchiv Darmstadt übertragen (Vorgang des hess. Justiministeriums, STAATSARCHIV DARMSTADT G21A 1525/1 - Mitteilung des Staatsarchivs Darmstadt).

37 MINERVA-HANDBÜCHER, ARCHIVE IM DEUTSCHSPRACHIGEN RAUM (Berlin-New York 1974) S. 559 - ARCHIVE IN HESSEN, KURZFÜHRER (Darmstadt 1996) S. 62 („Zugänglich nur in Ausnahmefällen“) - F. UHLHORN: Die Solmser Archive in der Wetterau, in: Archivalische Zeitschrift 39/1930 S. 69ff. - F. BATTENBERG: URKUNDEN DER GRAFSCHAFT SOLMS-RÖDELHEIM = Repertorien des hessischen Staatsarchivs Darmstadt 15/1-5 (Darmstadt 1981-86)

38 Regesten bei L. BAUR: URKUNDENBUCH DES KLOSTERS ARNSBURG (Darmstadt 1851), enthält 1234 Regesten des 12.-15. Jh.

39 MINERVA-HANDBÜCHER, ARCHIVE IM DEUTSCHSPRACHIGEN RAUM (Berlin-New York 1974) S. 542 - ARCHIVE IN HESSEN, KURZFÜHRER (Darmstadt 1996) S. 60 – F. UHLHORN: Die Solmser Archive in der Wetterau, in: Archivalische Zeitschrift 39/1930 S. 69ff. – F. BATTENBERG: URKUNDEN DER GRAFSCHAFT SOLMS-RÖDELHEIM = Repertorien des hessischen Staatsarchivs Darmstadt 15/1-5 (Darmstadt 1981-86)-

40 Einschlägig sind wohl § 2 „Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Fideikommiß- und Stiftungsrechts“ vom 28/XII/1950 und seine Ergänzung vom 3/VIII/1967 (BUNDESGESETZBLATT 1950 S. 820 und 1967 S. 839).

41 Publiziert im HESSISCHEN REGIERUNGSBLATT 1923 Nr. 16.

42 Einführung von F. BATTENBERG: zu Stolberger Urkunden (wie folgende Anm.).

43 ARCHIVE IN HESSEN, KURZFÜHRER (Darmstadt 1996) S. 77 – F. BATTENBERG: STOLBERGER URKUNDEN = Repertorien des Staatsarchivs Darmstadt 21 (Darmstadt 1985)

44 Veröffentlicht mit Verordnung vom 3/XII im HESSISCHEN REGIERUNGSBLATT 1923 Nr. 47.

45 Vorgang des hess. Justizministeriums STAATSARCHIV DARMSTADT G21A 1523/2.

46 Zur Fideikommissauflösung STAATSARCHIV DARMSTADT G21A 1511/2 (Erbach- Fürstenau), F21B 383/4, G21A 1511/3 (Erbach-Schönberg). Die Akte G21A 1511/1 (Erbach-Erbach) ist leer.

47 Der berühmte „Straßenmüller“ erklärte für Erbach-Schönberg, daß Archive, die einen besonderen wissenschaftlichen Wert haben, nicht enthalten sind.

48 Die verzögerte Fideikommissauflösung erfolgte schließlich zwangsweise 1938/39 (Beschluss des Staatsgerichtshofes vom 14/XII/1983, STAATSANZEIGER 1984 Nr. 210).